Begutachtete Artikel in FachzeitschriftenFrühkindliche Betreuung in der ehemaligen DDR und psychische Belastung im Erwachsenenalter
Braunheim, Lisa; Heller, Ayline; Helmert, Claudia; Kasinger, Christoph; Beutel, Manfred E.; Brähler, Elmar (2024)
Deutsches Ärzteblatt 121: 182–187
DOI: 10.3238/arztebl.m2023.0276
Hintergrund: Die Antwort auf die Frage, ob eine externe frühkindliche Betreuung zu psychischen Belastungssymptomen im Erwachsenenalter führen kann, ist in Deutschland umstritten. Insbesondere in der ehemaligen DDR wurden Kinder bereits früh außerfamiliär untergebracht.
Methode: Um den Zusammenhang zwischen frühkindlicher außerfamiliärer Betreuung und psychischen Belastungssymptomen im Erwachsenenalter zu untersuchen, wurden N = 1 575 Personen befragt, die in der ehemaligen DDR geboren und sozialisiert wurden. Es wurden vier Betreuungsgruppen – nach Alter der ersten externen Betreuung – betrachtet. Assoziationen mit Depressivität, Angst- und Somatisierungsstörungen im Erwachsenenalter wurden mithilfe logistischer Regressionen getestet. Mittels Varianzanalyse wurden betreuungsgruppenspezifische Prävalenzen von Missbrauchs- und Vernachlässigungserfahrungen in der Kindheit geschätzt.
Ergebnisse: Es zeigten sich keine Unterschiede bei Depressivität (Odds Ratio [OR] = 0,95; 95-%-Konfidenzintervall [0,58; 1,55]; OR = 1,05 [0,63; 1,74]), Somatisierungs- (OR = 1,11 [0,74; 1,67]; OR = 1,09 [0,71; 1,66]) oder Angststörungen (OR = 0,87 [0,46; 1,64]; OR = 1,12 [0,59; 2,10]), wenn respektive die erstmalig unter oder ab drei Jahren extern Betreuten mit den im Vorschulalter nicht extern Betreuten verglichen wurden. Ferner wurden keine Gruppenunterschiede hinsichtlich Missbrauchs- und Vernachlässigungserfahrungen festgestellt. Auffälligkeiten der sehr kleinen Gruppe der längerfristig Betreuten werden dargestellt.
Schlussfolgerung: Ein Zusammenhang frühkindlicher Betreuung in Tageseinrichtungen der ehemaligen DDR mit psychischer Belastung im Erwachsenenalter konnte nicht gefunden werden. Aufgrund der unzureichenden Datenlage konnten wichtige spezifische Unterbringungsaspekte (beispielsweise Qualität oder Erziehungsnormen) nicht berücksichtigt werden.