Sonstige PublikationenTalsohle bei Akademikerinnen durchschritten? Kinderzahl und Kinderlosigkeit in Deutschland nach Bildungs- und Berufsgruppen
Bujard, Martin (2012)
BiB Working Paper 4/2012
URN: urn:nbn:de:bib-wp-2012-047
Die niedrige Kinderzahl und die hohe Kinderlosigkeit von Akademikerinnen sind ein markantes Phänomen der westdeutschen Geburtenentwicklung. Nicht nur in der Forschung, sondern auch in den Medien wurde dieser Aspekt häufig thematisiert. Seit der Sondererhebung des Mikrozensus 2008 hat sich die Datenlage zur Kinderlosigkeit zwar deutlich verbessert, jedoch lässt sich die Entwicklung der Kinderzahl nach Bildungsunterschieden gerade für jüngere Kohorten damit weniger erfassen. Wie entwickelt sich die Geburtenrate von Akademikerinnen in Deutschland? Setzt sich der Rückgang fort oder ist eine Trendwende in Sicht? Wie unterscheiden sich dabei West- und Ostdeutschland? Diese Fragestellungen sind aktuell von Interesse, da sich durch den Ausbau der Kinderbetreuung, das Elterngeld und die Bemühung der Arbeitgeber nach weiblichen Fachkräften die Rahmenbedingungen speziell für Akademikerinnen verändert haben.
Der Beitrag zeigt die Geburtenentwicklung von Akademikerinnen und einzelnen Berufsgruppen seit den 1970er Jahren mit besonderem Schwerpunkt auf den aktuellsten Entwicklungen. Durch ein neues Schätzmodell (CFR34+), das die endgültige Kinderzahl 34-jähriger Frauen auf Basis altersspezifischer Fertilitätsraten hochrechnet, lassen sich auf neuartige Weise aktuelle demografische Entwicklungen bei Akademikerinnen zeigen. Datenbasis sind die Mikrozensen von 1973 bis 2011. Das zentrale Ergebnis ist, dass der Geburtenrückgang bei Akademikerinnen in West- und Ostdeutschland gestoppt ist. Dabei sind sogar kleine Anzeichen eines Anstiegs der Kohortengeburtenrate sichtbar. Diese Entwicklung beruht auf einem zunehmenden Recuperation-Effekt bei über 34-jährigen Akademikerinnen. Während in Ostdeutschland die Unterschiede zwischen Bildungsgruppen gering sind, liegt in Westdeutschland die Kinderzahl von Nichtakademikerinnen deutlich über der von Akademikerinnen. Zudem unterscheiden sich die Kinderzahlen erheblich zwischen den einzelnen Berufsgruppen. Die Befunde zeigen, dass sich hinter der Konstanz der zusammengefassten Geburtenrate (TFR) dynamische Veränderungen verbergen – mit zum Teil erheblicher politischer Brisanz. Sie zeigen, dass erhebliche Verschiebungen bei altersspezifischen Geburtenraten und innerhalb von Bildungsgruppen stattfinden, die frühzeitig auf mögliche Trendwenden der Geburtenentwicklung in Deutschland hindeuten können.