Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung

Artikel in ZeitschriftenDie demographische Lage in Deutschland 2005

Grünheid, Evelyn (2006)

Zeitschrift für Bevölkerungswissenschaft 31(1): 3–104

Mit 82,5 Millionen Menschen lebten im Jahr 2004 30.000 Menschen weniger in Deutschland als im Vorjahr. Die hohen Sterbefallüberschüsse konnten bereits im zweiten Jahr hintereinander nicht mehr durch Zuwanderungsüberschüsse ausgeglichen werden. Dabei stellt sich die Situation in den alten und neuen Bundesländern unterschiedlich dar: während in Westdeutschland der Wanderungsgewinn die Sterbefallüberschüsse deutlich überschreitet, die Bevölkerungszahl also steigt, sinkt sie in Ostdeutschland sowohl im Ergebnis von Sterbefallüberschüssen als auch von Wanderungsverlusten.

Im Ergebnis dieser Prozesse nimmt die Alterung in Deutschland zu – 2004 steht einem Anteil von 26,2 Prozent Kindern und Jugendlichen bis 25 Jahre ein Anteil von 18,6 Prozent Älteren ab 65 Jahren gegenüber; in Ostdeutschland ist der Unterschied im Bevölkerungsanteil dieser Altersgruppen noch geringer, die Anteile liegen zwischen 24,2 Prozent (Jüngere) und 20,2 Prozent (Ältere). Aber auch innerhalb des Altersbereichs der erwerbsfähigen Bevölkerung zwischen 25 und 65 Jahren vollzieht sich eine Verschiebung zugunsten der höheren Altersgruppen.

Bei den Eheschließungen ist für das Jahr 2004 eine steigende Tendenz zu erkennen, die sich auch im Jahr 2005 fortzusetzen scheint. Das ist sowohl ein Effekt zunehmender Erstheiraten als auch einer ansteigenden Wiederverheiratungsneigung. Beides ist jedoch verbunden mit einem wachsenden Alter bei der Eheschließung, das in Ostdeutschland mittlerweile höher ausfällt als in Westdeutschland. Dabei steigt die Heiratsneigung vor allem bei über 30-Jährigen an, während sie in den jüngeren Altersgruppen – insbesondere bei den Männern – zurückgeht. Bei fast jeder fünften Eheschließung sind bereits gemeinsame Kinder vorhanden. Bei Fortbestehen der Scheidungsverhältnisse des Jahres 2004 würden nach 25 Ehejahren mehr als 40 Prozent der Ehen geschieden sein – das höchste Scheidungsrisiko besteht dabei für die Ehen zwischen 5 und 9 Jahren Ehedauer, aber auch bei den länger Verheirateten steigt die Scheidungsneigung. Bei rund jeder zweiten Ehescheidung waren minderjährige Kinder betroffen.

Die Zahl der Geburten ist im Jahr 2004 gegenüber dem Vorjahr absolut gesunken. Hauptursache dafür ist die Veränderung der Altersstruktur bei den Frauen im gebärfähigen Alter. Die zusammengefasste Geburtenziffer – als Ausdruck für das Fertilitätsverhalten – hat sich in Westdeutschland in den letzten Jahren kaum verändert, in Ostdeutschland steigt diese Ziffer seit Mitte der 1990er Jahre wieder und nähert sich mit 1,31 dem westdeutschen Niveau von 1,37 an. Bei der Geburt ihrer Kinder waren die Mütter im Durchschnitt fast 30 Jahre alt, wobei hier die ostdeutschen Mütter durchschnittlich ein Jahr jünger als die westdeutschen sind. Einen erheblichen Anteil daran hat der hohe Anteil nichtehelich geborener Kinder (bei nichtehelichen Geburten sind die Mütter jünger als bei ehelichen) – mit 22 Prozent nichtehelichen Geburten in West- und fast 58 Prozent in Ostdeutschland wurden die seit 1950 höchsten Werte ausgewiesen. Die Zahl der Schwangerschaftsabbrüche bewegt sich 2004 etwa auf dem Niveau der Vorjahre, allerdings nimmt der Anteil junger Frauen unter 25 Jahren – besonders in den neuen Bundesländern – zu und liegt dort bei fast 40 Prozent aller Schwangerschaftsabbrüche. Frauen, die eine Schwangerschaft abbrechen lassen, sind 2004 überwiegend jung, ledig und noch ohne Kinder.

Das Sterblichkeitsniveau hat sich auch im Jahr 2004 weiter verringert. Nach der neuesten Sterbetafel haben neugeborene Jungen in Deutschland eine Lebenserwartung von 75,9 Jahren, während neugeborene Mädchen im Durchschnitt 81,5 Jahre alt werden. Damit haben sich die Trends der letzten Jahre auch 2004 weiter fortgesetzt: zum einen ein kontinuierlicher Anstieg der Lebenserwartung sowohl für männliche als auch für weibliche Neugeborene und gleichzeitig eine Verringerung der Differenz in der Lebenserwartung zwischen beiden Geschlechtern. Eine weitere Annäherung in der Lebenserwartung hat auch zwischen den alten und neuen Bundesländern stattgefunden. Darüber hinaus ist nach wie vor die Sterblichkeit bei Verheirateten niedriger als bei nicht verheirateten Personen, die diesbezüglichen Unterschiede haben sich – auch im Zusammenhang mit der Ausbreitung nichtehelicher partnerschaftlicher Lebensformen – aber weiter verringert.

Die Wanderungsüberschüsse im Rahmen der Außenwanderung sind seit 2004 auf dem tiefsten Stand seit 1998. Sowohl bei Deutschen als auch bei Ausländern war der Wanderungssaldo deutlich niedriger als im Vorjahr, bei den Ausländern sogar nur halb so hoch. Im Jahr 2004 besaßen etwa 6,7 Millionen Personen in Deutschland eine andere als die deutsche Staatsbürgerschaft, das waren rund 8 Prozent der Gesamtbevölkerung. Der Zuzug von Aussiedlern ist kontinuierlich auf ein Niveau von 59.100 Personen im Jahr 2004 gesunken. Rund 70 Prozent der Außenwanderungen Deutschlands beschränken sich auf das europäische Ausland.

Im Rahmen der Binnenwanderung hat sich das Bild der typischen Wanderungsgewinner und -verlierer unter den Bundesländern in den letzten Jahren kaum verändert – Rheinland-Pfalz und Bayern auf der einen Seite stehen Sachsen-Anhalt und Mecklenburg-Vorpommern auf der anderen Seite gegenüber. Rund ein Drittel der Fortzüge aus den neuen Bundesländern entfallen auf die Altersgruppe 18 bis unter 25 Jahre, zwei Drittel davon sind Frauen.

Mit über 39 Millionen Privathaushalten hat sich der Trend steigender Haushaltszahlen weiter fortgesetzt, die durchschnittliche Haushaltsgröße hingegen sank weiter auf 2,12 Personen pro Haushalt ab. Mehr als jeder dritte Haushalt wird mittlerweile von einer Person bewohnt, in Berlin ist es bereits jeder zweite Haushalt. Einen ungebrochenen Anstieg weisen die Singlehaushalte vor allem in den jüngeren Altersgruppen auf, während im höheren Alter die Bedeutung der Zweipersonenhaushalte steigt. Im Vergleich von West- und Ostdeutschland haben sich die Haushaltsstrukturen weiter angenähert. Deutliche Unterschiede bestehen aber nach wie vor bei der durchschnittlichen Haushaltsgröße von deutschen (2,08 Personen) und ausländischen Haushalten (2,57 Personen). Allerdings ist auch bei den ausländischen Haushalten ein Rückgang der Haushaltsgröße zu verzeichnen.

Trotz der steigenden Bedeutung von Singlehaushalten leben noch rund zwei Drittel aller über 20-Jährigen in einer Partnerschaft, allerdings steigt der Ledigenanteil in den jüngeren Altersgruppen an. Der Schwerpunkt im Hinblick auf die Entwicklung der Familien und Lebensformen in den letzten Jahren liegt in Westdeutschland bei der Zunahme nichtehelicher Lebensgemeinschaften mit Kindern und in Ostdeutschland bei einer steigenden Anzahl von nichtehelichen Lebensgemeinschaften ohne Kinder. Dabei scheint das Leben in nichtehelichen Lebensgemeinschaften generell für junge Frauen attraktiver zu sein als für junge Männer, für Ostdeutsche attraktiver als für Westdeutsche und für Jüngere attraktiver als für Ältere.

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