Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung

BiB.Monitor Wohlbefinden 2024: Regionale Unterschiede in der Lebenszufriedenheit in Deutschland

Der BiB.Monitor Wohlbefinden 2024 beschreibt Unterschiede in der Lebenszufriedenheit beispielhaft für ausgewählte Bevölkerungsgruppen.

Auf einen Blick:

  • Wohlbefinden der Bevölkerung im jungen und mittleren Erwachsenenalter hat sich nach der Coronapandemie verbessert.
  • Anteil der wenig Zufriedenen ist in der Region Nord und Ost etwa gleich und höher als im Süden und Westen.
  • In Westdeutschland sind Wohlbefindensunterschiede zwischen Stadt und Land gering, in Ostdeutschland fallen diese größer aus.
  • Sozioökonomische Benachteiligungen von Regionen gehen mit geringerem Wohlbefinden der Bevölkerung einher, insbesondere im Osten.
  • Hohe Feinstaubbelastung und wenig Grünflächen in Metropolen stehen im Zusammenhang mit geringerem Wohlbefinden.

Eine Grafik des Bundesinstituts für Bevölkerungsforschung zeigt das Wohlbefinden in den sozioökonomisch benachteiligten Regionen Deutschlands, aufgeteilt in Westen und Osten. Balkendiagramme auf beiden Seiten zeigen die Anteile der Zufriedenen in Prozent. Geringeres Wohlbefinden in benachteiligten Regionen, besonders im Osten In Regionen etwa mit niedrigem Einkommen, hoher Arbeitslosenquote und geringen Steuereinnahmen ist die Lebenszufriedenheit tendenziell geringer. Betrachtet man die am stärksten sozioökonomisch benachteiligten Regionen in Deutschland, wird deutlich, dass hier das Wohlbefinden insbesondere im Osten Deutschlands geringer ist.

Subjektives Wohlbefinden unterscheidet sich nach regionalen Merkmalen: Sozioökonomische Benachteiligung einer Region hängt mit geringerer Lebenszufriedenheit zusammen – am stärksten im Osten

C. Katharina Spieß, Anna Daelen, Sabine Diabaté, Lisa Kriechel, Heiko Rüger, Nico Stawarz, Mara Barschkett1

Das subjektive Wohlbefinden ist ein wichtiges Maß für die Lebenssituation der Menschen und spiegelt das persönliche Empfinden von Wohlstand in der Bevölkerung wider. Auch die Region, in der Menschen leben, und damit regionale Disparitäten, wie Unterschiede in der sozioökonomischen Situation zwischen Gemeinden oder wie die Luftqualität und Grünflächen, können das Wohlbefinden der Bevölkerung beeinflussen. Regional differenzierte Analysen geben Hinweise darauf, wo die Bevölkerung ihre Lebensbedingungen als besonders vorteilhaft oder als besonders nachteilig empfindet. Regionale Disparitäten in der durchschnittlichen Lebenszufriedenheit sind nicht unbekannt. Weniger erforscht ist jedoch die Frage, wie sich die Verteilung des Wohlbefindens regional unterscheidet. In welchen Regionen leben besonders viele wenig Zufriedene und wo besonders viele sehr Zufriedene?

Der vorliegende zweite BiB.Monitor Wohlbefinden geht diesen Fragen insbesondere anhand der Daten des Familiendemografischen Panels (FReDA) aus dem Jahr 2022 nach. Die Ausgabe 2024 des BiB.Monitors verdeutlicht, dass im Osten und Norden Deutschlands der höchste Anteil wenig zufriedener Menschen lebt. Stadt-Land-Unterschiede in der Lebenszufriedenheit zeigen sich besonders in Ostdeutschland, etwa auf Grund sozioökonomischer Benachteiligungen bestimmter Regionen, aber weniger in Westdeutschland. Innerhalb von Großstädten steigt die Lebenszufriedenheit mit einer geringeren Feinstaubbelastung sowie einem größeren Anteil an Grünflächen.

Der aktuelle BiB.Monitor verdeutlicht insgesamt: Die regionalen Lebensbedingungen sind für das subjektive Wohlbefinden wichtig. Allerdings verringern sich die Unterschiede teils, wenn individuelle sozioökonomische und soziodemografische Merkmale der Bevölkerung berücksichtigt werden. Dies verdeutlicht einmal mehr, dass Regionalpolitik immer auch die Zusammensetzung der in einer Region lebenden Bevölkerung im Blick haben muss, wenn es darum geht, das subjektive Wohlbefinden als einen zentralen Wohlstandsindikator zu adressieren.

Warum sollte das subjektive Wohlbefinden in unterschiedlichen Regionen untersucht werden?

Wie geht es der Bevölkerung im Osten und im Westen Deutschlands? Wie wirken sich Unterschiede in den Lebensbedingungen zwischen Stadt und Land auf die Lebenszufriedenheit aus? Das sind Fragen, um die immer wieder Diskussionen und Debatten entstehen. Das subjektive Wohlbefinden der Bevölkerung ist ein geeigneter Indikator, um Unterschiede zwischen Regionen, Umwelten und Nachbarschaften zu analysieren. Das subjektive Wohlbefinden kann über die allgemeine Lebenszufriedenheit erfasst werden (Kasten 1). Im Gegensatz zu aktuellen Messungen von Stimmungen in der Bevölkerung bildet die allgemeine Lebenszufriedenheit ein Langzeitempfinden der individuellen Lebenssituation ab. Viele verschiedene Merkmale, wie z. B. durchschnittliches Einkommen, sozialer Zusammenhalt und Einrichtungen der Daseinsvorsorge in Regionen können die Lebenszufriedenheit beeinflussen. Dazu finden sich bereits einige Berichte auf der Basis gesamtdeutscher Daten. Doch nur selten wird auf die Verteilung des Wohlbefindens und damit auf die Ränder der Verteilung, also die sehr Zufriedenen und wenig Zufriedenen, eingegangen. Dies ist ein Ziel dieses Berichts.

Das Wissen um regionale Unterschiede im Wohlbefinden ist für die Politik von zentraler Bedeutung, da es aufzeigt, inwiefern regionale Politiken Unterschiede im subjektiven Wohlbefinden hervorrufen können. Es ermöglicht gezielte Maßnahmen zur Steigerung des Wohlbefindens. Das im Grundgesetz verankerte Gebot der Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse macht es darüber hinaus notwendig, dass sich Politik mit der regionalen Wohlbefindensverteilung befasst. Die regional differenzierte Analyse von Unterschieden im Wohlbefinden kann vor diesem Hintergrund Hinweise darauf geben, in welchen Regionen Menschen ihre Lebensbedingungen als besonders vorteilhaft oder besonders nachteilig empfinden. Subjektives Wohlbefinden ist allerdings nicht nur von der Region abhängig, sondern fällt mit vielen individuellen sozioökonomischen und demografischen Merkmalen zusammen. Aus diesem Grund betrachten wir sogenannte unbereinigte und bereinigte Unterschiede im subjektiven Wohlbefinden (siehe Kasten 1).

Vorab: Wie hat sich die Verteilung des Wohlbefindens seit 2021 entwickelt?

Die Analysen des BiB.Monitors 2023 bezogen sich auf das Jahr 2021, waren also noch stark von der Coronapandemie geprägt, während sich die Analysen des zweiten Monitors auf aktuelle Daten für 2022 beziehen. Abbildung 1 zeigt die Lebenszufriedenheit zu allen Befragungszeitpunkten, für die bisher auswertbare FReDA-Daten vorliegen. Die FReDA-Befragung findet in der Regel zweimal im Jahr statt. Im Jahr 2021, als FReDA startete, wurde dreimal befragt. Im Vergleich zu anderen Befragungen, die nur einmal im Jahr durchgeführt werden, lässt sich damit das subjektive Wohlbefinden nicht nur zwischen verschiedenen Jahren vergleichen, sondern auch dessen Veränderung während eines Kalenderjahres.

Anfang und Mitte des Jahres 2021 fiel die durchschnittliche Lebenszufriedenheit mit 6,7 bzw. 6,9 Punkten während der Coronapandemie gering aus. In den Jahren zuvor war die Lebenszufriedenheit mit rund 7,4 Punkten deutlich höher.2 Dies wird auch durch einschlägige Studien belegt, wobei insbesondere die Lebenszufriedenheit von Müttern mit jüngeren Kindern während der Pandemie stark abgenommen hat.3 Ende 2021 bzw. Anfang 2022 zeigt sich ein statistisch signifikanter Anstieg der Lebenszufriedenheit auf 7,2 Punkte (um rund 0,5 Punkte). Dabei ist im Vergleich zu den beiden vorherigen Zeitpunkten im Jahr 2021 ein Rückgang des Anteils der wenig Zufriedenen auf 28 Prozent und ein Anstieg des Anteils der sehr Zufriedenen auf 24 Prozent zu beobachten. Dieser Anstieg könnte darauf zurückzuführen sein, dass trotz der noch andauernden Coronapandemie im Herbst und Winter 2021/2022 das öffentliche Leben deutlich weniger eingeschränkt war als zuvor. Ab dem Frühjahr 2022 war ein Rückgang der Infektionszahlen zu beobachten und viele Schutzmaßnahmen fielen weg. Allerdings schlägt sich dies nicht in einem weiteren Anstieg der durchschnittlichen Lebenszufriedenheit nieder, ab Mai 2022 sinkt diese sogar leicht auf rund 7,0 Punkte. Dieser Befund ist insbesondere auf einen leichten Rückgang des Anteils der sehr Zufriedenen auf 16 bzw. 17 Prozent und einen Anstieg des Anteils der Zufriedenen auf 54 bzw. 53 Prozent zurückzuführen. Zudem vergrößert sich ebenfalls die Gruppe der wenig Zufriedenen im Herbst 2022 auf 31 Prozent. Ein Grund für die Abnahme der Lebenszufriedenheit im Frühjahr und Herbst 2022 könnten Sorgen und Ängste sein, die mit dem Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine und den damit verbundenen Folgen auch für Deutschland sowie der zunehmenden Inflation in Verbindung stehen.4

Abbildung 1: Lebenszufriedenheit im Zeitverlauf Frühjahr 2021 bis Herbst 2022 (in Prozent)

Kasten 1 – Messung von subjektivem Wohlbefinden und Wohlbefindensunterschieden

Die allgemeine Lebenszufriedenheit ist ein weltweit verwendetes Konstrukt zur Messung des subjektiven Wohlbefindens.5 Sie wird oft mit einer einzelnen Frage erfasst, wie: „Alles in allem, wie zufrieden sind Sie gegenwärtig mit Ihrem Leben auf einer Skala von 0 bis 10?“ Im Gegensatz zu anderen Wohlstandsmaßen ist die Frage für die Befragten einfach zu verstehen sowie zu beantworten und es gibt nur wenige fehlende Beobachtungswerte.

Die allgemeine Lebenszufriedenheit ist von einer Vielzahl von Faktoren abhängig, wie der Bildung, dem Einkommen, der Erwerbstätigkeit, dem familiären Kontext sowie von der physischen und psychischen Gesundheit. Bestimmte Lebensereignisse können zu größeren Veränderungen in der Lebenszufriedenheit führen. Die Veränderungen sind oftmals aber nur kurzfristig und meist tendieren Menschen einige Zeit später dazu, auf ihr individuelles Basisniveau der Lebenszufriedenheit zurückzukehren.6 Ebenso beeinflussen Regionen und Umwelten, in denen Menschen leben, ihre Lebenszufriedenheit. Vielfach diskutiert sind z. B. Unterschiede in der Zufriedenheit zwischen Menschen, die in West- oder Ostdeutschland leben. Gründe hierfür sind etwa die unterschiedliche Geschichte und damit verbundene Differenzen in der wirtschaftlichen Lage oder den Einstellungen bzw. Normen der Bevölkerung in den beiden Teilen Deutschlands.

Der BiB.Monitor untersucht Durchschnittswerte und Verteilung der Zufriedenheit. Wie bei vielen Verteilungsanalysen interessieren hier insbesondere die Ränder. Im BiB.Monitor werden Personen in drei Gruppen nach Lebenszufriedenheit eingeteilt: Die „sehr Zufriedenen“ (Zufriedenheitswerte der Wohlbefindensverteilung von 9 und 10 Punkten), die „Zufriedenen“ (7 und 8 Punkte) und die „wenig Zufriedenen“ (0 bis 6 Punkte).

Als Unterschied im Wohlbefinden wird die Differenz in der durchschnittlichen allgemeinen Lebenszufriedenheit zwischen mindestens zwei Gruppen definiert. Neben einem unbereinigten wird ein bereinigter Unterschied im Wohlbefinden betrachtet. Bei den unbereinigten Unterschieden handelt es sich um die bloße Differenz in den Zufriedenheitswerten von zwei Gruppen, der Unterschied kann grundsätzlich Werte von 0 bis 10 annehmen. Bei den bereinigten Unterschieden im Wohlbefinden wird zusätzlich berücksichtigt, dass die Zufriedenheit mit vielen individuellen sozioökonomischen und demografischen Merkmalen zusammenhängt. Die hier dargestellten bereinigten Unterschiede berücksichtigen die folgenden Merkmale auf der Ebene der Befragten: Alter, Geschlecht, Haushaltszusammensetzung, Bildung, Haushaltseinkommen, Erwerbsstatus, Gesundheit, Migrationshintergrund und Befragungsmodus (vgl. auch technischer Anhang).

Wann die Unterschiede im subjektiven Wohlbefinden als groß oder als weniger bedeutend gelten, ist in der Forschung nicht abschließend geklärt. Im BiB.Monitor wird von kleinen Unterschieden ausgegangen, wenn die Wohlbefindensunterschiede weniger als 0,2 Punkte betragen. Unterschiede von 0,2 bis 0,5 Punkten werden als mittelgroß bezeichnet und Unterschiede, die mehr als 0,5 Punkte betragen, werden als groß deklariert.

Kasten 2 – Datengrundlage: FReDA, Geodaten und SHARE

(FReDA. Die Befunde des BiB.Monitors Wohlbefinden basieren vorrangig auf den repräsentativen Daten des familiendemografischen Panels FReDA, das – neben vielen anderen Themen – auch die allgemeine Lebenszufriedenheit von Personen im Alter von 18 bis 49 Jahren erfasst. Damit ist es möglich, das Wohlbefinden eines Großteils der Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter abzubilden. Personen ab 50 Jahren werden in FReDA bisher nicht befragt. Die Altersgruppen ab 50 Jahren wurden im Survey SHARE7 Deutschland erfasst (siehe unten). Die aktuellen FReDA-Daten beziehen sich auf das Jahr 2021. Insgesamt wurden in diesem Jahr über 30.000 Personen in ganz Deutschland befragt.8

FReDA ermöglicht es, auf der Basis des Wohnorts der Befragten unterschiedliche Merkmale der Regionen, in denen Menschen leben, mit deren Lebenszufriedenheit in Verbindung zu bringen.

Geodaten auf Rasterebene. Die FReDA-Daten können auf kleinräumiger Ebene mit Geodaten verknüpft werden (1 x 1 km2-Raster). In dieser Ausgabe des BiB.Monitors werden Daten zur Luftqualität und zum Stadtgrün in der näheren Umgebung des aktuellen Wohnorts der Befragten betrachtet. Die Geodaten zu Luftqualität und Stadtgrün wurden durch das Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR) zur Verfügung gestellt. Die Berechnung der Daten zum Stadtgrün erfolgte durch ein Forschungskonsortium im Auftrag des BBSR basierend auf Satellitenaufnahmen.9 Die Daten zu Luftqualität stammen vom Umweltbundesamt und wurden durch das BBSR auf das 1 x 1 km2-Raster übertragen.10

SHARE Deutschland. SHARE steht für Survey of Health, Ageing and Retirement in Europe. SHARE Deutschland erfasst repräsentativ Informationen zur Bevölkerung in Deutschland im Alter von 50 Jahren und mehr.11 Die aktuell für die Wissenschaft verfügbaren SHARE-Daten wurden zwischen November 2021 und September 2022 erhoben. Insgesamt wurden in diesem Zeitraum knapp 4.457 Menschen in ganz Deutschland befragt. Wie in FReDA wird die allgemeine Lebenszufriedenheit über die Frage erfasst, wie zufrieden Befragte mit ihrem Leben auf einer Skala von 0 bis 10 sind. Die regionale Zuordnung der SHARE-Befragten kann nur über die Region, in der die Befragten zum Zeitpunkt ihrer ersten Befragung lebten, erfolgen. Unsere Analysen beziehen sich auf größere regionale Einheiten, wie etwa Bundesländer. Da Umzüge mit dem Alter stark abnehmen und bei den über 50-Jährigen nur noch rund ein Prozent der Bevölkerung über Kreisgrenzen hinweg mobil ist, kann davon ausgegangen werden, dass der Unterschied zwischen der Erfassung der Region und der Lebenszufriedenheit keine so große Bedeutung hat.12 Die beiden Stichproben FReDA und SHARE beziehen sich auf unterschiedliche Befragungszeiträume und Altersgruppen, daher sind die Ergebnisse nicht 1:1 miteinander vergleichbar.

Schwerpunkt BiB.Monitor 2024: Regionale Unterschiede in der Verteilung des subjektiven Wohlbefindens

Neben individuellen soziodemografischen Merkmalen, wie sie im BiB.Monitor 2023 untersucht wurden, können regionale Struktur- und Lebensbedingungen für das Wohlbefinden der Bevölkerung relevant sein. Regionale Unterschiede bestehen zum Beispiel in kultureller, landschaftlicher oder politischer Hinsicht, können aber auch bei vielen anderen Merkmalen auftreten, z. B. bei der Verfügbarkeit von Arbeitsplätzen, dem durchschnittlichen Einkommen, der Bevölkerungsdichte, dem Vorhandensein von Einrichtungen der Daseinsvorsorge, dem sozialen Zusammenhalt und der Teilhabe oder der Qualität der Wohnumgebung und Verkehrsinfrastruktur.13 Sie alle können das Wohlbefinden der Bevölkerung beeinflussen. Die allgemeine Lebenszufriedenheit als Einzelindikator hat in diesem Zusammenhang den Vorteil, dass sie mit einer Vielzahl unterschiedlicher Faktoren und anderen sogenannten bereichsspezifischen Zufriedenheiten zusammenhängt.14 Es geht dabei also nicht nur um die Zufriedenheit mit einem bestimmten regionalen Aspekt, wie beispielsweise der Zufriedenheit mit dem Klima oder der wirtschaftlichen Situation, sondern um eine umfassendere Einschätzung der Lebenssituation.

In der Forschung zu regionalen Unterschieden wird von Struktureffekten der Regionen ausgegangen, wenn regionale Merkmale ursächlich für Effekte sind. Dann wirken sich regionale Bedingungen, wie die wirtschaftliche Situation, direkt auf die Lebenszufriedenheit aus. Zudem können regionale Unterschiede im Wohlbefinden dadurch entstehen, dass Menschen mit bestimmten Merkmalen, z. B. hohes Alter oder niedrige Bildung, in einer bestimmten Region über- oder unterdurchschnittlich häufig anzutreffen sind und diese Merkmale wiederum mit bestimmten Zufriedenheitswerten einhergehen, wie der BiB.Monitor 2023 verdeutlichte. In diesem Fall wird von sogenannten Kompositionseffekten gesprochen, die beispielsweise durch das Umzugsverhalten von Personen – die sich in bestimmte Regionen hinein- oder herausselektieren – verstärkt oder abgeschwächt werden können.15 Außerdem können sogenannte Nachbarschaftseffekte auftreten. Damit ist in der Regel gemeint, dass sich Menschen vor Ort gegenseitig beeinflussen, beispielsweise durch Einstellungen zur Erwerbstätigkeit von Müttern.16. Die drei beschriebenen Mechanismen, durch die regionale Unterschiede in der Lebenszufriedenheit entstehen können, sind in der Regel nicht einfach voneinander zu trennen. Auch im vorliegenden BiB.Monitor 2024 wird dies nicht möglich sein, vielmehr geht es darum, Unterschiede in der Lebenszufriedenheit und deren Verteilung zu beschreiben, und zwar für unterschiedliche regionale Abgrenzungen und Merkmale.

Der BiB.Monitor Wohlbefinden 2024 fokussiert sich auf Unterschiede zwischen vier Großregionen Deutschlands: Nord, Süd, West und Ost. Damit wird, neben den bereits vielfach vorhandenen Analysen der Zufriedenheitsunterschiede zwischen Ost- und Westdeutschland, eine differenziertere, aber immer noch sehr großräumige regionale Einteilung vorgenommen. Daneben werden Unterschiede im subjektiven Wohlbefinden zwischen den Bundesländern aufgezeigt, die u. a. vor dem Hintergrund des Föderalstaates und der damit verbundenen politischen Unterschiede zwischen den Bundesländern zu sehen sind. Verschiedene Raumtypen, welche die Regionen z. B. in eher städtische oder eher ländliche Gebiete einteilen, bilden die Grundlage für eine weitergehende Analyse der regionalen Unterschiede. Zudem werden Gemeinden nach ihrer sozioökonomischen Benachteiligung differenziert. So wird untersucht, inwiefern das subjektive Wohlbefinden mit dem Grad der Deprivation der Gemeinde, das heißt der lokalen Bildungs-, Beschäftigungs- und Einkommenssituation, zusammenhängt. Neben diesen Analysen, die auf administrativen Abgrenzungen auf der Ebene der Bundesländer und von Gemeinden beruhen, werden die Verteilungen im Wohlbefinden nach noch kleinräumigeren Merkmalen betrachtet, die zum Teil bis auf einen Quadratkilometer genau gemessen werden (siehe Kasten 2). Der BiB.Monitor 2024 analysiert den Zusammenhang von Luftqualität und Grünflächen mit dem subjektiven Wohlbefinden als zwei zentrale Aspekte von Umweltbedingungen, die für die Bevölkerung direkt erfahrbar sind. Die Feinstaubbelastung in der kleinräumigen Umgebung und der Grünflächenanteil sind die hierfür verwendeten Indikatoren. Die Luftqualität und das Vorhandensein von Grünflächen unterscheiden sich stark nach ländlichen und städtischen Regionen, was per se wenig überraschend ist. Der BiB.Monitor fokussiert sich daher auf Unterschiede innerhalb und zwischen Metropolen.

Die hier vorgestellten Befunde auf Basis der FReDA-Daten geben insbesondere einen Einblick in die Lebenssituation Erwachsener jungen und mittleren Alters, also der Erwerbsbevölkerung im Alter von 18 bis 49 Jahren. Ein Vergleich mit aktuellen Studien, wie zum Beispiel dem Gleichwertigkeitsbericht 2024 der Bundesregierung oder dem Deutschland-Monitor 2023, ist nicht 1:1 möglich, da die Befunde dieser Berichte auf anderen Datenquellen beruhen und andere Altersgruppen umfassen.

Abbildung 2: Lebenszufriedenheit nach Großregionen (in Prozent)

Anteil der wenig Zufriedenen in den Regionen Nord und Ost gleich hoch

Wie unterscheidet sich das Wohlbefinden der 18- bis 49-jährigen Bevölkerung in Deutschland zwischen den Großregionen Nord, Süd, West und Ost? Die Region „Süd“ umfasst die Bundesländer Baden-Württemberg und Bayern, „West“ die Länder Nordrhein-Westfalen, Saarland, Hessen und Rheinland-Pfalz, „Nord“ die Länder Schleswig-Holstein, Hamburg, Niedersachsen und Bremen und „Ost“ Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen, Sachsen-Anhalt, Thüringen sowie Berlin. Damit ergibt sich ein erster Überblick über die „Zufriedenheitslandschaft“ in Deutschland.

Zwischen den genannten Großregionen zeigen sich eher geringe Unterschiede in der Wohlbefindensverteilung (siehe Abbildung 2). Der Anteil der wenig Zufriedenen ist in der Region Ost und in der Region Nord mit jeweils knapp 33 Prozent etwas höher als in der Region West (31 Prozent) und in der Region Süd (29 Prozent). Der Anteil der sehr Zufriedenen ist in der Region Süd mit 18 Prozent am höchsten, gefolgt von der Region Nord mit knapp 16 Prozent und den Regionen Ost und West mit jeweils 14 Prozent. Das aufgezeigte Muster spiegelt sich teilweise auch in der Betrachtung der durchschnittlichen Lebenszufriedenheit: Hier liegen die Regionen Nord, West und Ost mit 6,9 Punkten gleichauf. In der Region Süd zeigt sich mit 7,0 Punkten eine etwas höhere durchschnittliche Lebenszufriedenheit. Insgesamt sind die Unterschiede in der durchschnittlichen Lebenszufriedenheit zwischen den Großregionen allerdings gering und nicht statistisch signifikant.

Bei einer noch gröberen regionalen Betrachtung wird der bereits gut dokumentierte Unterschied zwischen Ost- und Westdeutschland deutlich (ohne Abbildung). Dieser fällt allerdings im Jahr 2022 und bezogen auf die hier untersuchte Bevölkerung im jüngeren und mittleren Erwachsenenalter etwas geringer aus, als wenn die ältere Bevölkerung einbezogen wird.17 So liegt die durchschnittliche Lebenszufriedenheit der Bevölkerung im jungen und mittleren Erwachsenenalter in Ostdeutschland mit 6,9 nur leicht niedriger als in Westdeutschland mit 7,0 Punkten. Der Mittelwertunterschied zwischen den Regionen ist nicht statistisch signifikant. Ein Grund für die nur geringen Ost-West-Unterschiede könnte sein, dass sich die Lebenssituation von Erwachsenen im jungen und mittleren Alter in Ostdeutschland mittlerweile besser darstellt, als dies noch in den 1990er und 2000er Jahren der Fall war.18 Als allgemeine Erklärung für die aufgezeigten Unterschiede zwischen den Großregionen kann unter anderem die unterschiedliche wirtschaftliche Situation in den Regionen angeführt werden. Diese fällt im Süden vorteilhafter aus als in den anderen Regionen, insbesondere aber besser als im Osten (siehe dazu auch den Abschnitt zum Zusammenhang von Wohlbefinden und regionaler Deprivation).19

Unter bevölkerungsstarken Bundesländern ist der Anteil der sehr Zufriedenen in Baden-Württemberg und Bayern relativ hoch

Wenn das durchschnittliche Wohlbefinden nicht nach Großregionen, sondern nach Bundesländern betrachtet wird, zeigt sich ein etwas differenzierteres Bild. Dieser Vergleich macht deutlich, dass die meisten Bundesländer recht nahe beieinander liegen, punktuell jedoch mittelgroße bis große Unterschiede bestehen. Die höchste mittlere Lebenszufriedenheit der Bevölkerung im jüngeren und mittleren Erwachsenenalter findet sich in Brandenburg, Schleswig-Holstein, Rheinland-Pfalz und Bremen mit rund 7,1 Punkten. Es folgen Bayern, Hamburg sowie Baden-Württemberg mit jeweils 7,0 Punkten (siehe Abbildung 3). Etwas geringere Lebenszufriedenheitswerte finden sich in den Ländern Nordrhein-Westfalen, Hessen, Thüringen, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen und Berlin, die sich um eine durchschnittliche Lebenszufriedenheit von 6,9 Punkten gruppieren. Niedersachsen folgt mit 6,8 Punkten. Die geringsten durchschnittlichen Zufriedenheitswerte berichten die Befragten in Sachsen-Anhalt (6,0) und im Saarland (5,8). Die Unterschiede zwischen den Bundesländern mit den höchsten Zufriedenheitswerten (7,1 Punkte) und jenen mit geringeren Zufriedenheitswerten (kleiner als 7,0 Punkte) sind statistisch signifikant.

Abbildung 3: Lebenszufriedenheit nach Bundesländern

Eine Betrachtung der Wohlbefindensverteilung wurde für die bevölkerungsstarken Bundesländer Bayern, Baden-Württemberg, Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen vorgenommen (siehe Abbildung 4), die mit zweimal 7,0, 6,9 und 6,8 Punkten kleine bis mittelgroße Unterschiede in der durchschnittlichen Lebenszufriedenheit aufweisen.20 Es zeigt sich, dass der Anteil der sehr Zufriedenen in Bayern und Baden-Württemberg mit gut 18 bzw. 19 Prozent deutlich höher als in Niedersachsen (15 Prozent) und Nordrhein-Westfalen (14 Prozent) ausfällt. Der größte Anteil an wenig Zufriedenen findet sich beim Vergleich der vier Bundesländer in Niedersachsen (33 Prozent), während Nordrhein-Westfalen mit 31 Prozent und insbesondere Bayern und Baden-Württemberg mit jeweils 29 Prozent geringere Anteile von wenig Zufriedenen aufweisen.

Abbildung 4: Lebenszufriedenheit in bevölkerungsstarken Bundesländern (in Prozent)

Im ländlichen Raum befinden sich Regionen mit höchster und niedrigster Lebenszufriedenheit

Im Gegensatz zu administrativen Abgrenzungen über Bundesländer werden im Folgenden Raumtypen nach administrativen Grenzen von Gemeinden klassifiziert. Dafür wird die Regionalstatistische Raumtypologie (RegioStaR)21 verwendet, um Wohlbefindensunterschiede zwischen eher städtischen und eher ländlichen Regionen zu untersuchen. Grundlage dieser Abgrenzung bilden Merkmale wie Größe und Funktion der Städte, ihr Einzugsgebiet sowie die Unterscheidung von Gemeinden innerhalb und außerhalb des Einzugsgebietes nach siedlungsstrukturellen Merkmalen (siehe Anhang) für eine detailliertere Beschreibung).22 Der hier verwendete zusammengefasste Regionalstatistische Raumtyp (RegioStaR 7) unterscheidet insgesamt sieben Typen, wobei grundsätzlich zwischen „Stadtregionen“ und „ländlichen Regionen“ differenziert wird (siehe Abbildung 6).23 Ein Vorteil des RegioStaR 7 besteht darin, dass neben der Besiedelung (der Bevölkerungsdichte) weitere Merkmale, wie die Lage in Relation zu Großstädten, berücksichtigt werden. Als ländliche Regionen werden dabei alle Städte und Gemeinden außerhalb des Einzugsbereichs einer Großstadt klassifiziert. Auswertungen der durchschnittlichen Lebenszufriedenheit basierend auf diesen sieben Raumtypen verdeutlichen, dass Menschen in Mittelstädten und städtischen Räumen eine geringere durchschnittliche Lebenszufriedenheit berichten (siehe Abbildung 5). Dies gilt für Mittelstädte und städtische Räume sowohl in Stadtregionen (6,9 Punkte) als auch in ländlichen Regionen (6,8 Punkte). Demgegenüber ist die Lebenszufriedenheit in zentralen Städten und kleinstädtischen bzw. dörflichen Räumen in ländlichen Regionen mit jeweils 7,1 Punkten am höchsten. Die Analysen verdeutlichen insbesondere, dass die Bevölkerung im jungen und mittleren Erwachsenenalter in Mittelstädten und städtischen Räumen in ländlichen Regionen statistisch signifikant weniger zufrieden ist als etwa Personen in Metropolen (7,0 Punkte).

Auswertungen der Verteilung des Wohlbefindens unterstreichen diese Ergebnisse (siehe Abbildung 6): So zeigt sich, dass die Bevölkerung in Mittelstädten und städtischen Räumen in ländlichen Regionen mit 34 Prozent den höchsten Anteil an wenig Zufriedenen aufweist, gefolgt von der Bevölkerung der Mittelstädte und städtischen Räume in Stadtregionen mit 33 Prozent. Gleichzeitig weisen beide Regionstypen mit 15 Prozent bzw. 16 Prozent einen vergleichsweisen geringen Anteil an sehr Zufriedenen auf. Umgekehrt finden sich in den zentralen Städten ländlicher Regionen sowie in den kleinstädtischen und dörflichen Räumen ländlicher Regionen mit jeweils 18 Prozent die höchsten Anteile sehr Zufriedener. Dies verdeutlicht, dass sich städtische und ländliche Regionen – im Unterschied zu oft gegenteiligen Annahmen in einigen öffentlichen Diskussionen – in ihrer Lebenszufriedenheit insgesamt kaum unterscheiden. Ebenso lassen Auswertungen der Binnenwanderungsstatistik den Schluss zu, dass ländliche Regionen für Erwachsene mittleren Alters attraktiv sind, während jüngere Menschen (z. B. für Ausbildung und Studium) eher in Städte ziehen.24 Weiterhin wird die große Heterogenität insbesondere innerhalb der ländlichen Regionen deutlich – hier finden sich Regionen mit der niedrigsten und der höchsten Lebenszufriedenheit. Dieses Ergebnis entspricht dem Stand der Forschung25 und verdeutlicht einmal mehr, dass eine differenzierte Betrachtung regionaler Differenzen notwendig ist, welche über eine einfache Stadt-Land-Unterscheidung hinausgeht. International ist die Lebenszufriedenheit in ländlichen Regionen der Industrieländer sogar häufig etwas höher als in städtischen Regionen.26 Insgesamt deuten die Ergebnisse auf eine Vielzahl von Vor- und Nachteilen hin, die mit dem Leben auf dem Land oder in der Stadt verbunden sein können und die von Region zu Region variieren. Der Zusammenhang mit dem subjektiven Wohlbefinden könnte somit das Ergebnis eines komplexen Zusammenspiels verschiedener objektiver Faktoren sein.27

Abbildung 5: Lebenszufriedenheit nach Raumtypen (in Prozent)

Abbildung 6: Stadtregionen und ländliche Regionen nach regionalstatistischer Raumtypologie

In öffentlichen Diskussionen wird häufig auf die besondere Situation in ländlichen Regionen Ostdeutschlands hingewiesen, so dass zusätzlich eine Differenzierung nach Ost- und Westdeutschland vorgenommen wurde (siehe Abbildung 7). Für Westdeutschland zeigt sich das oben beschriebene Muster. Die Unterschiede zwischen den Raumtypen sind jedoch insgesamt eher gering. Innerhalb Ostdeutschlands fallen die Lebenszufriedenheitsunterschiede zwischen den sieben Regionstypen hingegen mittelgroß bis groß aus. Vor allem die Bevölkerung in Mittelstädten bzw. in städtischen Räumen einer ländlichen Region hat mit 6,2 Punkten eine statistisch signifikant geringere Lebenszufriedenheit als etwa die Bevölkerung in Metropolen. In vergleichbaren Mittelstädten im Einzugsbereich einer Großstadt sowie in vergleichsweise etwas größeren zentralen Städten im ländlichen Raum ist die Zufriedenheit mit 6,9 bzw. 7,1 Punkten deutlich höher. Dünner besiedelte kleinstädtische bzw. dörfliche Räume, die ebenfalls in ländlichen Regionen liegen, weisen mit 7,1 Punkten ebenfalls eine deutlich höhere durchschnittliche Lebenszufriedenheit auf. In Ostdeutschland sind die Wohlbefindensunterschiede innerhalb der ländlichen Regionen demnach besonders ausgeprägt.

Abbildung 7: Lebenszufriedenheit nach Raumtypen in West- und Ostdeutschland

Doch warum ist die Lebenszufriedenheit gerade in Mittelstädten und städtischen Räumen in ländlichen Regionen so gering? Zum einen sind dies Regionen, die im Vergleich zu allen anderen Regionen (in West- und Ostdeutschland) mit einigem Abstand die größte sozioökonomische Benachteiligung aufweisen – erfasst über einen Index der regionalen Deprivation (GSID, siehe nächster Abschnitt). Zum anderen lässt sich vermuten, dass die Mittelstädte und städtischen Räume in ländlichen Regionen einige Nachteile von Städten aufweisen, wie z. B. einen im Durchschnitt geringeren sozialen Zusammenhalt, weniger Grünflächen im direkten Wohnumfeld oder mehr Lärm, jedoch ohne die Vorteile von größeren Städten zu bieten, wie z. B. das Vorhandensein wichtiger Infrastruktureinrichtungen, wie Krankenhäuser, Kitas und Schulen oder eine hohe Arbeitsplatzdichte.28 Die ländlich-periphere Lage verhindert zudem die Mitnutzung der Infrastruktur der nahegelegenen Großstädte.29 So fällt die Lebenszufriedenheit in Mittelstädten und städtischen Räumen im Einzugsbereich von Großstädten sowie in zentralen Städten in ländlichen Regionen höher aus.

Kleinstädtische und dörfliche Räume von Stadtregionen in Ostdeutschland weisen mit 6,7 Punkten ebenso eine unterdurchschnittliche Lebenszufriedenheit auf. In vergleichbaren kleinstädtischen bzw. dörflichen Räumen in ländlichen Regionen ist die Lebenszufriedenheit mit 7,1 Punkten höher. Es handelt sich dabei um einen mittelgroßen Unterschied, der jedoch statistisch nicht signifikant ist. In Ostdeutschland scheinen sich aus der Nähe zu großen Städten besondere Herausforderungen für kleinstädtische bzw. dörfliche Räume zu ergeben.30 Der „Wachstumsdruck“ der Metropolen könnte sich zum einen beispielsweise auf den Wohnungs- und Gewerbeflächenmarkt der nahe gelegenen Kleinstädte auswirken. Zum anderen nehmen diese Kleinstädte häufig die Funktion von „Schlafstädten“ ein und sind in gewerblicher Hinsicht spezialisiert (z. B. auf Industrie oder Logistik), was häufig einen intensiven Umlandverkehr mit sich bringt.

Um einen Vergleich mit den Analysen auf der Basis der SHARE-Daten für die ältere Bevölkerung zu ermöglichen (siehe Kasten 3, Abbildung 3.2), wird zusätzlich eine Einteilung der Raumtypen auf Basis von Gemeindegrößenklassen vorgenommen und zwischen drei Typen unterschieden. Hierbei zeigt sich, dass in Mittel- und Kleinstädten sowie Landgemeinden der Anteil der wenig Zufriedenen mit rund 31 bzw. 32 Prozent etwas höher ist als in Metropolen und Großstädten mit knapp 30 Prozent (siehe Anhang). Der Anteil sehr Zufriedener ist mit knapp 16 bis 17 Prozent in allen drei Typen relativ ähnlich.

Kasten 3 – Die regionale Verteilung des Wohlbefindens der älteren Bevölkerung (50 Jahre und älter)

Die Zufriedenheit von älteren Menschen unterscheidet sich grundsätzlich von jüngeren Altersgruppen (vergleiche dazu etwa BiB.Monitor Wohlbefinden 2023). Eine differenzierte Betrachtung des Wohlbefindens der älteren Bevölkerung in Analogie zu den regionalen Unterschieden, die für die jüngeren und mittleren Altersgruppen der erwachsenen Bevölkerung ermittelt wurden, zeigt größere Unterschiede zwischen den Großregionen (siehe Abbildung 3.1a): Wird allein die mittlere Lebenszufriedenheit betrachtet, so ist diese mit knapp 8,0 Punkten in der Region Süd am höchsten und mit 7,7 in der Region Ost am geringsten. Der Ost-Süd-Unterschied ist mittelgroß und statistisch signifikant. Die Betrachtung der Zufriedenheitsverteilung zeigt aber ein etwas anderes Bild. Der Anteil der sehr Zufriedenen ist in der Großregion Nord mit knapp 21 Prozent am höchsten und mit nahezu 13 Prozent in der Region Ost am geringsten. 32 Prozent der älteren Bevölkerung sind in der Region Ost wenig zufrieden mit ihrem Leben, während das im Norden knapp 30 Prozent sind. Der Anteil der Zufriedenen, also der mittleren Gruppe in der Zufriedenheitsverteilung, fällt mit 55 Prozent im Osten am höchsten aus und mit knapp 50 Prozent im Norden am geringsten.

Ferner wurde ausschließlich die Bevölkerung ab 65 Jahren betrachtet, um zu untersuchen, welche Besonderheiten für diese Gruppe vorliegen, die mehrheitlich nicht mehr im Erwerbsleben steht. In dieser Altersgruppe ist der Anteil der Zufriedenen in allen vier Großregionen mit 51 bis 53 Prozent relativ ähnlich (siehe Abbildung 3.1b). Im Osten ist allerdings der Anteil der wenig Zufriedenen im Rentenalter mit 33 Prozent deutlich höher als in den anderen Regionen. Den höchsten Anteil der sehr Zufriedenen weist die Region Nord mit knapp 24 Prozent auf. Hier erreicht im Mittel die Bevölkerung im Alter von 65 Jahren und mehr mit 8,2 Punkten die höchsten Zufriedenheitswerte. Damit unterscheidet sich die Wohlbefindensverteilung der Erwachsenen im Rentenalter von der Bevölkerung im jungen und mittleren Erwachsenenalter.

Abbildung 3.1a: Lebenszufriedenheit ab 50 Jahren nach Großregionen (in Prozent)

Abbildung 3.1b: Lebenszufriedenheit ab 65 Jahren nach Großregionen (in Prozent)

Abbildung 3.2: Lebenszufriedenheit ab 50 Jahren nach Raumtypen (in Prozent)

Werden die Wohnorte der Bevölkerung im Alter von 50 Jahren und älter (bei Erstbefragung in SHARE) nach städtischen bzw. ländlichen Raumtypen31 differenziert, so sind in größeren Städten bzw. Kleinstädten im Mittel die höchsten Werte für die allgemeine Lebenszufriedenheit zu beobachten (8,0 Punkte, siehe Abbildung 3.2). Im Vergleich zu den Großstädten sind Personen in größeren Städten bzw. Kleinstädten damit um 0,2 Punkte zufriedener. Es handelt sich um einen mittelgroßen statistisch signifikanten Unterschied. Ein vergleichsweiser hoher Anteil wenig Zufriedener ist in Großstädten bzw. Vorstädten mit 33 Prozent zu finden. In ländlichen Regionen bzw. Dörfern ist der Anteil der Zufriedenen mit knapp 54 Prozent am höchsten. Den höchsten Anteil an sehr zufriedenen Erwachsenen im Alter von 50 Jahren und älter weisen größere Städte und Kleinstädte auf. Eine weitere Differenzierung nach einem möglichen Renteneintrittsalter von 65 Jahren (siehe Anhang) zeigt ein sehr ähnliches Bild. Allerdings ist in der Gruppe der Bevölkerung im Rentenalter der Anteil der sehr Zufriedenen mit 21 Prozent am höchsten in ländlichen Gegenden und nicht in größeren Städten bzw. Kleinstädten. Solche Unterschiede sind für die Erwachsenen in den jungen und mittleren Altersgruppen so nicht zu finden, hier ist der Anteil der sehr Zufriedenen über vergleichbare Regionen sehr ähnlich.

Sozioökonomische Benachteiligung einer Region ist mit niedrigerer Lebenszufriedenheit verbunden

Einkommen, Steueraufkommen und Bildungsstand – diese und ähnliche Merkmale in einer Region hängen mit dem Wohlbefinden der Bevölkerung zusammen. Das regionale Ausmaß sozioökonomischer Ungleichheiten auf Gemeindeebene kann mit dem sozioökonomischen Deprivationsindex (German Index of Socioeconomic Deprivation – GISD) abgebildet werden.32 Zur Bildung des Indexes werden innerhalb der Gemeinden die Anteile bestimmter Gruppen im Vergleich zu allen Bewohnerinnen und Bewohnern gemessen und beispielsweise nach Bildung, Erwerbsstatus, Schuldneranteilen, Arbeitslosenquote, Bruttoeinkommen der privaten Haushalte sowie Steuereinnahmen unterschieden. Die Indexwerte variieren insbesondere über den Anteil niedriger und mittlerer Haushaltseinkommen innerhalb der Region, geringe Steuereinnahmen und eine höhere Arbeitslosenquote.33

Die Relevanz der regionalen sozioökonomischen Deprivation ist für verschiedene Lebensalter und Lebenslagen eindrücklich belegt. So fallen etwa die sprachlichen und kognitiven Leistungen von Kindern im Einschulungsalter in benachteiligten Regionen schlechter aus34 und es kommt in deprivierten Regionen häufiger vor, dass Kinder und Jugendliche rauchen.35 Analysen verdeutlichen zudem, dass in deprivierten Regionen vermehrt Lungenkrebs auftritt und Personen häufiger an Herz-Kreislauf-Erkrankungen sterben.36 Weiterhin wurde festgestellt, dass Menschen in deprivierten Regionen eine geringere Lebenserwartung haben; der Unterschied in der Lebenserwartung zu bessergestellten Regionen hat sich während der COVID-19-Pandemie sogar vergrößert.37

Auswertungen des Deprivationsindexes nach Bundesland verdeutlichen (vgl. Anhang), dass die ostdeutschen Bundesländer im Durchschnitt stärker benachteiligt sind.38 Das gilt ebenso für das Saarland. Die Bundesländer Hamburg, Bayern, Baden-Württemberg und Hessen sind die Regionen mit der geringsten Deprivation. Zudem zeigt sich, dass der Süden deutlich weniger benachteiligt ist als der Westen und der Norden, während der Osten am stärksten depriviert ist, wenn die Indexwerte verglichen werden.

Vor dem Hintergrund der Forschungslage ist zu erwarten, dass die allgemeine Lebenszufriedenheit mit der regionalen Benachteiligung zusammenhängt. In den beiden Bundesländern mit der ausgeprägtesten Deprivation – Sachsen-Anhalt und Saarland – ist die durchschnittliche Lebenszufriedenheit tatsächlich am geringsten. Dagegen weisen Bayern, Baden-Württemberg und Hamburg eine besonders hohe durchschnittliche Lebenszufriedenheit auf, analog zu ihrer geringen regionalen sozioökonomischen Benachteiligung. Jedoch ist der Zusammenhang nicht immer so eindeutig. So liegen die Gemeinden in Rheinland-Pfalz und Brandenburg und Bremen im Mittelfeld der regionalen Benachteiligung, die Bevölkerung ist dort aber im Mittel besonders zufrieden (siehe Abbildungen 3 und 10).

Wird die Verteilung des Wohlbefindens betrachtet, wird deutlich, dass in Regionen mit der größten Deprivation der Anteil der wenig Zufriedenen am höchsten ist: Mit 32 Prozent ist dies ein vergleichsweise hoher Wert (siehe Abbildung 8). Weiterhin leben in Gemeinden mit niedriger regionaler Benachteiligung besonders viele sehr zufriedene Personen (18 Prozent) und am seltensten wenig Zufriedene (29 Prozent). Ebenso zeigt sich bei einer Betrachtung der mittleren Lebenszufriedenheit, dass die Regionen mit der höchsten Deprivation mit 6,8 Punkten die niedrigste Zufriedenheit aufweisen, während die Regionen mit der niedrigsten Deprivation mit 7,0 Punkten die höchste mittlere Zufriedenheit aufweisen. Regionen mit mittlerer Deprivation („Mittelbereich“) liegen mit 6,9 Punkten dazwischen. Der Unterschied zwischen den Regionen mit der geringsten und höchsten Deprivation ist mit rund 0,2 Punkten als klein bis mittelgroß zu bezeichnen und statistisch nicht signifikant. Dagegen ist der Unterschied in der Lebenszufriedenheit zwischen den Regionen mit der geringsten und der mittleren Deprivation mit 0,1 Punkten statistisch signifikant. Wird hingegen keine Gruppierung der Deprivationswerte vorgenommen, wird deutlich, dass mit steigender regionaler Benachteiligung die allgemeine Lebenszufriedenheit statistisch signifikant abnimmt.

Abbildung 8: Lebenszufriedenheit nach regionaler Deprivation (in Prozent)

Sozioökonomische Deprivation einer Region hängt im Osten stärker mit Wohlbefinden zusammen als im Westen

Die Unterscheidung nach Ost- und Westdeutschland zeigt zudem (siehe Abbildung 9), dass in den depriviertesten ostdeutschen Regionen der Anteil der wenig Zufriedenen (35 Prozent) größer ausfällt als in vergleichbaren Regionen im Westen (31 Prozent). Das drückt sich ebenso in einer etwas geringeren durchschnittlichen Lebenszufriedenheit in deprivierten ostdeutschen Regionen im Vergleich zu deprivierten westdeutschen Regionen aus (6,8 versus 6,9 Punkte). Auffällig ist: In wenig deprivierten Regionen in Westdeutschland leben häufiger wenig Zufriedene (29 Prozent) als in wenig deprivierten Regionen in Ostdeutschland (21 Prozent). Die Anteile der wenig Zufriedenen unterscheiden sich in Westdeutschland allerdings kaum nach Deprivationsindex. Die ostdeutsche Bevölkerung in wenig deprivierten Gegenden ist also insgesamt zufriedener als die westdeutsche Bevölkerung in vergleichbaren Regionen, was sich ebenso in der höheren durchschnittlichen Lebenszufriedenheit zeigt (7,2 vs. 7,0 Punkte). Insgesamt wird deutlich: Im Osten geht mehr Deprivation mit höheren Anteilen wenig Zufriedener einher. Der Zusammenhang zwischen den in Gruppen eingeteilten Deprivationsniveaus und der Lebenszufriedenheit fällt im Osten statistisch signifikant aus, was nicht für die westdeutschen Bundesländer gilt. Dies könnte darauf zurückzuführen sein, dass erst bei sehr hoher sozioökonomischer Deprivation das subjektive Wohlbefinden signifikant sinkt.39 Auffällig ist, dass in Ostdeutschland der Deprivationsindex und damit der Grad der Deprivation innerhalb der Gemeinden mit der höchsten Deprivation im Mittel noch höher ausfällt als in Westdeutschland. Zudem gibt es in Westdeutschland insgesamt weniger sehr stark deprivierte Gemeinden als in Ostdeutschland. Wird wiederum keine Gruppierung der Deprivationswerte vorgenommen, so zeigt sich sowohl in Ost- als auch in Westdeutschland eine statistisch signifikante Abnahme der Lebenszufriedenheit mit zunehmender regionaler Benachteiligung, wobei der Zusammenhang im Osten tendenziell stärker ausfällt.

Abbildung 9: Lebenszufriedenheit in West- und Ostdeutschland nach regionaler Deprivation (in Prozent)

Abbildung 10: Deprivationsindex nach Bundesländern

Wohlbefinden in Metropolen hängt mit Umweltfaktoren zusammen

Bei der Betrachtung regionaler Kontextfaktoren werden zusätzlich Umweltaspekte berücksichtigt, die mit der Lebenszufriedenheit zusammenhängen. Hierzu zählen z. B. die Luftqualität oder die Wohnumgebung in Form von Grünflächen. Grünflächen gelten als Orte der Ruhe und Naturerfahrung und werden mit einem höheren Wohlbefinden in Verbindung gebracht. Zudem verbessern Grünflächen die Luftqualität und wirken sich positiv auf das Stadtklima aus.40.

Seit Jahrzehnten ist die Feinstaubbelastung ein zentraler Aspekt gesundheitspolitischer Diskussionen in Deutschland, auf EU-Ebene und weltweit.41 Im Fokus steht der negative Einfluss von schlechter Luftqualität auf die Gesundheit und Lebenserwartung.42 Besonders die Bevölkerung in Metropolen ist einer deutlich höheren Belastung durch Luftschadstoffe ausgesetzt und hat weniger Möglichkeiten, sich in Grünflächen aufzuhalten und der verschmutzten Luft zu entkommen (siehe Anhang).43 Luftqualität wird häufig über drei Luftschadstoffe erfasst: Feinstaub, Stickstoffdioxid (NO2) und Ozon. Langfristig wirkt sich Feinstaub besonders nachteilig auf Gesundheit und Wohlbefinden aus.44 Im Folgenden werden deshalb die regionale Feinstaubbelastung und der Zusammenhang mit dem subjektiven Wohlbefinden betrachtet. Dazu zählen der primäre Feinstaub, der z. B. bei Verbrennungsprozessen von Autos, Kraftwerken, Schornsteinen und Industrieanlagen ausgestoßen wird sowie der sekundäre Feinstaub, der durch gasförmige Vorläufersubstanzen, wie z. B. Schwefel- und Stickoxide, entsteht.45 Besonders gefährdet durch eine hohe Feinstaubbelastung sind Kinder, alte Menschen und Menschen mit vorgeschädigten Atemwegen, wobei sich Feinstaub bereits auf ungeborene Kinder auswirken kann.46

Lebenszufriedenheit bei hoher Feinstaubbelastung in Metropolen geringer

Die folgenden Analysen untersuchen den Zusammenhang zwischen der Überschreitung eines Richtwertes für Feinstaub und dem subjektiven Wohlbefinden der Bevölkerung. Die WHO hat im Jahr 2021 die Richtwerte für die Langzeitbelastung durch Feinstaub gesenkt. Die aktuellen Leitlinien besagen, dass Feinstaub mit kleinen Partikeln (PM 2,5) bei höchstens fünf statt bisher zehn Mikrogramm pro Kubikmeter Luft liegen sollte. Der neue Richtwert von 5 μg/m³ wird allerdings für so gut wie alle FReDA-Befragten, also die erwachsene Bevölkerung im jungen und mittleren Alter sowohl im städtischen als auch im ländlichen Raum, überschritten. Dieser Befund deckt sich mit aktuellen Ergebnissen des Umweltbundesamtes (UBA), laut denen nahezu die gesamte deutsche Bevölkerung gesundheitsgefährdenden Feinstaubkonzentrationen ausgesetzt ist.47 Aus diesem Grund wird bei den folgenden Analysen eine Überschreitung basierend auf dem Richtwert aus dem Jahr 2005 mit 10 μg/m³ zugrunde gelegt. So kann zwischen Bevölkerungsgruppen unterschieden werden, die einer besonders starken im Vergleich zu einer weniger starken Feinstaubbelastung ausgesetzt sind. Dafür wurden die Jahresdurchschnitte der Feinstaubbelastung auf einem 1 x 1 km2-Raster den FReDA-Daten für die Bevölkerung in Metropolen zugespielt. In Metropolen war im Jahr 2022 der Richtwert von 10,0 μg/m³ für die Feinstaubbelastung mit 10,1 μg/m³ im Durchschnitt leicht überschritten. Allerdings sind davon nicht alle Personen in Metropolen gleichermaßen betroffen. Die dort vorherrschenden Werte für die Feinstaubbelastung reichten von 7,2 bis 12,7 μg/m³. Insgesamt waren innerhalb von Metropolen rund 50 Prozent der Bevölkerung einer Überschreitung des alten Richtwertes ausgesetzt.

In Abbildung 11 wird deutlich, dass die allgemeine Lebenszufriedenheit und die Feinstaubbelastung in Metropolen zusammenhängen, wobei sich die Unterschiede insbesondere an den Rändern der Wohlbefindensverteilung zeigen: Der Anteil der wenig Zufriedenen ist bei denjenigen, die einer Richtwertüberschreitung ausgesetzt sind, um knapp 5 Prozentpunkte höher als bei jenen, die unter diesem Richtwert liegen (33 vs. 28 Prozent). Ebenso fällt der Anteil der sehr zufriedenen Bevölkerung bei stark belasteter Luft mit 14 Prozent geringer aus als in weniger stark belasteten Regionen mit 18 Prozent. Der Unterschied in der durchschnittlichen Lebenszufriedenheit (siehe Abbildung 9) zwischen der Bevölkerung in Wohnumgebungen, in denen der Feinstaubrichtwert aus dem Jahr 2005 unterschritten wird, und der Bevölkerung in Nachbarschaften, in denen der Richtwert überschritten wird, liegt bei 0,2 Punkten. Es handelt sich um eine mittelgroße und statistisch signifikante Differenz.

Abbildung 11: Lebenszufriedenheit in Metropolen nach Feinstaubbelastung (in Prozent)

Grünflächen in Metropolen gehen mit höherem Wohlbefinden einher

Grünflächen, wie Parkanlagen oder der Baumbestand, prägen das urbane Leben, wobei das Grünflächenangebot teilweise stark innerhalb urbaner Räume sowie zwischen diesen variiert.48 Öffentliche Grünflächen im urbanen Raum fördern das Wohlbefinden und schützen die mentale Gesundheit,49 indem sie unter anderem sportliche Aktivitäten und zwischenmenschliche Begegnungen anregen.50 Grünflächen lassen sich auf unterschiedliche Arten messen. Für die Analysen im BiB.Monitor 2024 werden alle Aspekte von Begrünung im näheren Wohnumfeld, wie z. B. verschiedene Baumarten und Wiesenflächen, berücksichtigt.

Abbildung 12 zeigt die Verteilung des Wohlbefindens für Befragte in Metropolen nach dem Grünflächenanteil ihres Wohnumfeldes.51 In Gebieten mit viel Grün ist der Anteil sehr Zufriedener und Zufriedener mit 17 bzw. 57 Prozent am höchsten. Nachbarschaften mit wenig Grünflächen weisen mit 13 Prozent hingegen einen deutlich geringeren Anteil sehr zufriedener Bevölkerungsgruppen auf. In Wohnumgebungen in Metropolen mit wenig Grün findet sich zudem der höchste Anteil wenig Zufriedener (32 Prozent), während die Bevölkerung in Regionen mit hohem Grünanteil seltener wenig zufrieden ist (26 Prozent). Der Zusammenhang von Grünflächen und subjektivem Wohlbefinden spiegelt sich ebenso in der durchschnittlichen Lebenszufriedenheit wider, die in stark begrünten Wohnumgebungen höher ist. Der Unterschied in der durchschnittlichen Lebenszufriedenheit im Vergleich zu weniger stark begrünten Wohnumgebungen ist mit 0,3 Punkten mittelgroß und statistisch signifikant.

Abbildung 12: Lebenszufriedenheit in Metropolen nach Grünflächenanteil (in Prozent)

Politik muss regionale Wohlbefindensunterschiede im Blick haben

Regionale Unterschiede im subjektiven Wohlbefinden zeigen sich in vielfältiger Weise, wie der BiB.Monitor 2024 verdeutlicht: Dies trifft auf regionale Einteilungen nach Großregionen und Bundesländern, nach eher städtischen und eher ländlichen Räumen zu, aber ebenso nach der sozioökonomischen Benachteiligung einer Gemeinde sowie Umweltfaktoren, wie Luftqualität und Grünflächen. Regionalpolitisch besteht Handlungs- und Veränderungsbedarf besonders dort, wo der Anteil der wenig Zufriedenen hoch ist: In Mittelstädten und städtischen Räumen insbesondere in ländlichen Regionen, in den Regionen Nord und Ost, in Gemeinden mit einer hohen Deprivation sowie in den Wohnumgebungen in Metropolen mit schlechter Luftqualität und wenigen Grünflächen.

Diese Unterschiede können vielfältige Ursachen haben und in Struktur-, Nachbarschafts- oder Kompositionseffekten begründet sein. Inwiefern die Zusammensetzung (Komposition) der Bevölkerung in den jeweiligen Regionen eine Rolle spielt, dazu geben Analysen der sogenannten bereinigten Unterschiede in der Lebenszufriedenheit Hinweise. Dabei werden individuelle sozioökonomische und -demografische Merkmale (z. B. Alter, Bildungsstand, Einkommen, Gesundheitszustand) der Bevölkerung berücksichtigt. Unsere Analysen verdeutlichen etwa, dass die bereinigten Unterschiede zwischen Großregionen noch geringer ausfallen als die unbereinigten Unterschiede (siehe Anhang). Dies deutet darauf hin, dass neben Disparitäten in den Struktur- und Lebensbedingungen zwischen den Großregionen ebenso die Zusammensetzung der dort lebenden Bevölkerung relevant für das Verständnis der regionalen Lebenszufriedenheitsdifferenzen sind.

Zwischen den Bundesländern fallen die bereinigten Unterschiede in der allgemeinen Lebenszufriedenheit erwartungsgemäß ebenfalls geringer aus als die unbereinigten Unterschiede (siehe Anhang). Wird etwa berücksichtigt, dass die Bevölkerung in den südlichen Bundesländern Bayern und Baden-Württemberg im Mittel über ein höheres Erwerbseinkommen verfügt, verringern sich die Differenzen in der durchschnittlichen Lebenszufriedenheit zu den anderen Bundesländern. Aber auch unter Berücksichtigung individueller soziodemografischer Merkmale bleiben Sachsen-Anhalt und das Saarland Schlusslichter hinsichtlich der durchschnittlichen Lebenszufriedenheit.

Bei der Betrachtung der bereinigten Unterschiede zwischen den Raumtypen ist das allerdings anders. Einige Unterschiede verringern sich, andere vergrößern sich sogar leicht (siehe Anhang). Bemerkenswert ist, dass auch unter Hinzunahme von individuellen sozioökonomischen und -demografischen Merkmalen die Bevölkerung in Mittelstädten und städtischen Räumen in ländlichen und städtischen Regionen sowie die kleinstädtischen und dörflichen Räume in Stadtregionen eine zum Teil deutlich geringere durchschnittliche Lebenszufriedenheit aufweisen als die übrigen Regionen. Diese Unterschiede sind in Ostdeutschland besonders ausgeprägt. Dies deutet darauf hin, dass Disparitäten in der Lebenszufriedenheit zwischen den Raumtypen zu einem großen Teil auf unterschiedliche Struktur- und Lebensbedingungen zurückzuführen sind und weniger mit Kompositionseffekten der Bevölkerung zusammenhängen.

Werden die sozioökonomischen Merkmale einer Region in Form des Ausmaßes ihrer regionalen Deprivation, also ihrer regionalen Benachteiligung, betrachtet, so zeigen sich mittelgroße Unterschiede in der durchschnittlichen Lebenszufriedenheit. Diese verringern sich, wenn zusätzlich individuelle Merkmale der Bevölkerung berücksichtigt werden. Dies heißt, dass die Lebenszufriedenheit der Bevölkerung zwar mit der sozioökonomischen Benachteiligung der jeweiligen Region zusammenhängt, dieser Zusammenhang aber ebenso stark von individuellen Merkmalen beeinflusst wird. Auf Grundlage der vorliegenden Analysen lässt sich jedoch nicht sagen, wie individuelle und regionale Deprivation genau miteinander zusammenhängen. Ein besonderer Risikofaktor für das subjektive Wohlbefinden besteht darin, wenn beides zusammenfällt: Menschen, die selbst sozioökonomisch benachteiligt sind und gleichzeitig in deprivierten Regionen leben, verfügen über geringere Chancen, etwa ihre Arbeitsmarktsituation zu verbessern.52 Dadurch könnte das subjektive Wohlbefinden besonders stark beeinträchtigt sein. Unterschiede in der Lebenszufriedenheit zeigen sich in Metropolregionen, wenn nach der dortigen Luftqualität und dem Vorhandensein von Grünflächen differenziert wird. Bei Hinzunahme weiterer sozioökonomischer und - demografischer Merkmale verkleinern sich die Lebenszufriedenheitsunterschiede teilweise.

Was bedeuten diese Unterschiede in den bereinigten und unbereinigten Zufriedenheitswerten für die Politik? Das subjektive Wohlbefinden der Bevölkerung kann auf unterschiedlichen Ebenen effektiv adressiert werden, etwa durch gezielte Maßnahmen für bestimmte soziodemografische Gruppen (siehe dazu auch BiB.Monitor 2023). Zudem weist der BiB.Monitor 2024 einmal mehr darauf hin, dass Politik zusätzlich regionale Disparitäten in den Fokus nehmen sollte, um das subjektive Wohlbefinden der Bevölkerung zu fördern. Einen Ansatzpunkt bieten hierbei etwa die in den Analysen herausgestellten Regionen, in denen der Anteil der wenig zufriedenen Bevölkerung vergleichsweise hoch ist. Allerdings verdeutlicht der BiB.Monitor 2024 auf der Basis aktueller Daten ebenso, dass nicht nur die Region, sondern auch die direkte Wohnumgebung eine wichtige Rolle für das subjektive Wohlbefinden spielen. Für gezielte politische Maßnahmen ist es zukünftig außerdem wichtig, im Detail zu analysieren, inwiefern Struktur-, Kompositions- oder Nachbarschaftseffekte ursächlich für regionale Disparitäten im subjektiven Wohlbefinden sind und wie sich die Bedeutung der Effekte unterscheidet.

Die Ergebnisse des BiB.Monitors 2024 unterstützen außerdem zahlreiche Maßnahmen, die im ersten Gleichwertigkeitsbericht der Bundesregierung diskutiert werden und daran ansetzen, regionale Disparitäten auszugleichen.53 Diese Maßnahmen können dazu beitragen, den subjektiven Wohlstand in Deutschland insgesamt zu steigern. Die Ergebnisse des BiB.Monitors 2024 unterstreichen etwa die Relevanz der Förderung von strukturschwachen Regionen und der Wirtschaft sowie des Zugangs zu Bildung. So wird in den Ergebnissen deutlich, dass die sozioökonomische Situation einer Gemeinde für das subjektive Wohlbefinden bedeutsam ist. Insbesondere jene Bundesländer und Raumtypen mit einer geringeren Lebenszufriedenheit sind es, die eine stärkere regionale sozioökonomische Benachteiligung aufweisen.

Ebenso können die im Gleichwertigkeitsbericht herausgestellten Maßnahmen zur Förderung nachhaltiger Mobilität sowie zum Schutz des Klimas und der Umwelt durch die vorliegenden Analysen bestärkt werden. Der BiB.Monitor 2024 verdeutlicht, dass eine bessere Luftqualität mit einem höheren subjektiven Wohlbefinden in Metropolen zusammenhängt. Weitere Untersuchungen legen zudem nahe, dass es keine Feinstaubkonzentration gibt, bei welcher gesundheitsschädigende Folgen komplett ausgeschlossen werden können.54 Deshalb sollte die weitere Reduktion von Feinstaub ein wichtiges Politikziel bleiben, wenn die Gesundheit der Bevölkerung verbessert werden soll. Auch die Schaffung von Erholungsräumen ist in diesem Zusammenhang als eine wichtige Maßnahme zu nennen. Der BiB.Monitor 2024 zeigt, dass das subjektive Wohlbefinden positiv mit dem Vorhandensein von Grünflächen zusammenhängt. Grünflächen sind zentrale Schutzfaktoren für die mentale und physische Gesundheit der urbanen Bevölkerung, sie sind die „grüne Lunge“ von Großstädten, welche die Luftqualität verbessern und zum Artenschutz beitragen. Bei der zukünftigen Städte- und Quartiersplanung sowie der Erschließung neuer Flächen sollten sowohl infrastrukturelle, gesundheitliche als auch auf soziale Interaktion bezogene Faktoren stärker berücksichtigt werden, um lebenswerten und identitätsstiftenden Wohnraum zu schaffen.

Außerdem zeigen die Ergebnisse dieses BiB.Monitors 2024, dass neben der Erfassung zahlreicher objektiver Merkmale von Regionen, wie sie zum Beispiel im Gleichwertigkeitsbericht der Bundesregierung abgebildet werden, die Erfassung des subjektiven Wohlstands weitere zentrale Hinweise liefern können, um dem Ziel der Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse näherzukommen. Der Vorteil von Analysen des subjektiven Wohlbefindens liegt darin, dass es sich um einen ganzheitlichen und einfach zu erfassenden Indikator handelt, der auch mit objektiven regionalen Merkmalen zusammenhängt. Damit steht der Politik ein weiteres Wohlstandsmaß zur Verfügung, das über die regionale Wohlstandsverteilung der Bevölkerung Auskunft gibt. Dabei zeigt sich, dass die Ränder der Wohlbefindensverteilung und regionale Unterschiede mit alternativen Typisierungen betrachtet werden sollten, um häufig tradierte Unterschiede zwischen Ost und West oder zwischen Stadt und Land differenzierter betrachten zu können. Dies ermöglicht eine zielgruppenspezifische Politik, die sinnvoll zwischen Regionen differenziert.

Endnoten

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Impressum

BiB.Monitor Wohlbefinden
Ein Projekt des BiB in Kooperation mit dem SHARE Berlin Institute

Logo des Forschungsprojektes „Family Research and Demographic Analysis (FReDA)“ www.freda-panel.de

Logo des Survey of Health, Ageing and Retirement in Europe (SHARE) www.share-eric.eu

Herausgeber
Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung (BiB)
Friedrich-Ebert-Allee 4
65185 Wiesbaden
Direktorin: Univ.-Prof. Dr. C. Katharina Spieß
Telefon: 0611-752235
E-Mail: post@bib.bund.de

Erschienen
10/2024

Autorinnen und Autoren
C. Katharina Spieß, Anna Daelen, Sabine Diabaté, Lisa Kriechel,
Heiko Rüger, Nico Stawarz, Mara Barschkett

Die Autorinnen und Autoren sind erreichbar unter der nach
folgendem Muster gebildeten Mailadresse:
vorname.nachname@bib.bund.de
Für Anfragen an die BiB-Direktorin C. Katharina Spieß
verwenden Sie bitte direktorin@bib.bund.de

Redaktion
Katja Patzwaldt, C. Katharina Spieß, Nico Stawarz

Lektorat
Britta Müller

Gestaltung
familie redlich AG – Agentur für Marken und Kommunikation
KOMPAKTMEDIEN – Agentur für Kommunikation GmbH

Druck
Hausdruckerei des Statistischen Bundesamtes, Wiesbaden

Bildnachweis
Titel: Christian Schwier/Adobe Stock

URN
urn:nbn:de:bib-var-2024-024

Jeder Nachdruck und jede Vervielfältigung – auch auszugsweise
– bedürfen der ausdrücklichen Genehmigung des
Bundesinstituts für Bevölkerungsforschung (BiB).

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