Pressemitteilung | 16.04.2025Babyboomerlücke auf dem Arbeitsmarkt: Wie das Arbeitskraftangebot trotzdem hoch bleiben könnte
Die demografische Entwicklung stellt den deutschen Arbeitsmarkt vor große Herausforderungen. Der heute bereits vielfach beklagte Arbeitskräftemangel dürfte sich aufgrund der Altersstruktur der Bevölkerung in naher Zukunft weiter verschärfen. So wird mit dem Übergang der Babyboomer in den Ruhestand die Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter bis 2035 stark zurückgehen.
Abhängig von der Entwicklung der internationalen Wanderungsbewegungen von und nach Deutschland ist mit einem Rückgang zwischen 1,5 und 4,7 Millionen Personen zu rechnen. Eine neue Studie des Bundesinstituts für Bevölkerungsforschung (BiB) hat untersucht, wie sich das Volumen des Erwerbsangebots in Deutschland zukünftig entwickeln könnte, welche Stellschrauben von Bedeutung sind und welche Rolle Frauen und älteren Erwerbstätigen hierbei zukommt.
Um plausible Annahmen für das zukünftige gesamtwirtschaftliche Erwerbsvolumen treffen zu können, analysierten die Autoren der Studie zunächst die Entwicklung der vergangenen Jahre. Demnach stieg zwischen 2009 und 2022 das Erwerbsvolumen von 1,39 Milliarden Arbeitsstunden pro Woche auf 1,47 Milliarden an, während die Zahl der Menschen im erwerbsfähigen Alter in etwa konstant blieb. „Die Zunahme des Erwerbsvolumens in dieser Zeit ist somit auf eine höhere Erwerbsbeteiligung der Bevölkerung zurückzuführen“, resümiert Mitautor Harun Sulak vom BiB. Allerdings trugen zu diesem Anstieg die einzelnen Altersgruppen unterschiedlich stark bei. Die markantesten Veränderungen zeigten sich im höheren Alter: Im Alter ab etwa 50 Jahren stieg die Erwerbstätigkeit pro Person bei beiden Geschlechtern stark an – bei den 60- bis 64-Jährigen kam es im Schnitt sogar zu einer Zunahme von rund acht Arbeitsstunden pro Woche.
Auf Basis verschiedener Szenarien nahmen die Studienautoren Vorausberechnungen des Erwerbsvolumens in Form von geleisteten Arbeitsstunden pro Woche bis zum Jahr 2035 vor. Die Vorausberechnungen unterschieden sich bei der internationalen Wanderung, dem Bildungsniveau sowie der Erwerbstätigkeit von Frauen und älteren Erwerbstätigen. Die Ergebnisse zeigen, dass es noch erhebliche Potenziale gibt, dem durch den Ruhestandseintritt der Babyboomer bedingten Arbeitskraftmangel entgegenzuwirken. So würde sich zum Beispiel das Arbeitskraftangebot bis 2035 nur wenig ändern, wenn die Nettozuwanderung durchschnittlich bei etwa 330.000 Personen läge und gleichzeitig weitere Fortschritte bei der Erwerbsbeteiligung von Frauen und älteren Menschen erreicht werden könnten. „In dem Szenario gehen wir von einem Anstieg der Erwerbsbeteiligung westdeutscher Frauen auf das ostdeutsche Niveau aus“, erklärt BiB-Forscher Harun Sulak. „Bei den älteren Erwerbstätigen schreiben wir die in den letzten anderthalb Jahrzehnten verzeichneten Anstiege in die Zukunft fort.“ Für die Zugewanderten wird ein Bildungsniveau entsprechend der bereits in Deutschland lebenden Bevölkerung und eine frühzeitige Arbeitsmarktintegration angenommen. „All diese Aspekte sind natürlich keine Selbstläufer, aber durchaus mögliche Szenarien“, so Sulak. Unter diesen Annahmen ergeben sich für 2035 1,48 Milliarden geleistete Arbeitsstunden pro Woche, was gegenüber 2022 sogar noch einem leichten Plus entspräche.
Bei der Studie wurde auch berücksichtigt, dass sich die Erwerbstätigkeit nach Bildungsniveau stark unterscheidet. 2022 lag die durchschnittliche Wochenarbeitszeit pro Person bei hochgebildeten Männern zwischen 20 und 66 Jahren um 2,5 Stunden höher als bei Männern mit mittlerer Bildung – und über 7 Stunden höher als bei Männern mit niedriger Bildung. Bei Frauen waren die Unterschiede mit 3 beziehungsweise 11 Arbeitsstunden pro Woche nochmal deutlich größer. „Diese Unterschiede verdeutlichen, dass auch durch Investitionen in Bildung ungenutzte Erwerbspotenziale erschlossen werden können“, schlussfolgert der Mitautor und BiB-Forscher Dr. Sebastian Klüsener. „Dabei geht es nicht nur um Bildung im jüngeren Alter, sondern auch um lebenslanges Lernen in allen Altersschichten.“
Quelle: © BiB
Diese Pressemeldung basiert auf folgender Publikation: Sulak, Harun; Jung, Felix; Klüsener, Sebastian (2025): Wie kann demografiebedingtem Arbeitskraftmangel begegnet werden? In: BiB.Aktuell 3/2025