Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung

Pressemitteilung • 03.11.20228 Milliarden Menschen – 8 Milliarden Chancen

Laut Berechnungen der Vereinten Nationen erreicht die Weltbevölkerung am 15. November dieses Jahres die Schwelle von acht Milliarden. Damit leben so viele Menschen auf der Erde wie nie zuvor. Doch die Dynamik hat sich verändert. Erstmals seit Beginn der Aufzeichnungen liegt das Bevölkerungswachstum unter einem Prozent pro Jahr. Wovon hängt die weitere Entwicklung ab?

„Eine feministische Entwicklungspolitik ist der Schlüssel für eine nachhaltige Zukunft der Weltbevölkerung“, sagt Dr. Bärbel Kofler, parlamentarische Staatssekretärin im Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ).

Wie sich die Weltbevölkerung nach der achten Milliarde weiter entwickeln wird, hängt vor allem von der Entwicklung in Ländern mit einem hohen Bevölkerungswachstum ab. „Subsahara Afrika wird nach aktuellen Prognosen noch deutlich weiterwachsen. Ein Großteil des künftigen Wachstums der Weltbevölkerung wird in dieser Region und in einigen Ländern in Asien stattfinden“, so Dr. Frank Swiaczny vom Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung. Der Höhepunkt der Weltbevölkerung wird mit rund 10,4 Milliarden Menschen in den 2080er Jahren prognostiziert. Mit einer weiter steigenden globalen Bevölkerung gehen Chancen, aber auch Herausforderungen einher.

Das Wachstum der Weltbevölkerung mit nachhaltiger Entwicklung in Einklang zu bringen, ist eine der wichtigsten Zukunftsfragen für Mensch und Umwelt. „Mehr Menschen bedeuten dabei nicht zwangsläufig auch einen größeren ökologischen Fußabdruck“, betont Swiaczny. Fast die Hälfte der globalen CO2-Emissionen werden von den zehn Prozent der Weltbevölkerung mit dem höchsten Einkommen verursacht, während der Beitrag der ärmsten Hälfte zu vernachlässigen ist. Bei anhaltendem Bevölkerungswachstum die weitere Steigerung des Index menschlicher Entwicklung vom ökologischen Fußabdruck zu entkoppeln, ist eine gemeinsame globale Herausforderung.

Die größte Jugendgeneration aller Zeiten

Besondere Bedeutung kommt dabei der Unterstützung von Ländern in Subsahara Afrika zu, denn dort lebt die größte Jugendgeneration aller Zeiten, 43 Prozent der Bevölkerung sind jünger als 15 Jahre alt. In diesen jungen Menschen steckt ein großes Potenzial, das, wie einst in den ostasiatischen Tigerstaaten, zu einer demografischen Dividende und damit wirtschaftlichem Aufschwung führen könnte. Voraussetzung dafür wäre aber ein deutlich schnellerer Rückgang der Geburtenraten, als das bislang in den meisten afrikanischen Staaten südlich der Sahara der Fall ist.

„Fehlende sexuelle Aufklärung, Zugang zu Sekundarbildung für Mädchen und der Mangel an Verhütungsmitteln führen dazu, dass die Frauen in vielen Regionen sehr viel mehr Kinder gebären, als sie sich wünschen und vor allem auch versorgen können“, erklärt Jan Kreutzberg, Geschäftsführer der Deutschen Stiftung Weltbevölkerung (DSW). Gerade in den benachteiligten Regionen gelten Kinder immer noch als Altersversicherung. Hinzu kommen traditionell und patriarchalisch geprägte Familienstrukturen, in welchen die Mädchen auf die Rolle der Mutter reduziert werden und oft schon im Teenageralter die ersten Kinder bekommen. Spätestens dann werden sie in der Regel von der Schule ausgeschlossen und die Armutsspirale ist programmiert. Zahlreiche Studien belegen, dass Mädchen mit Sekundarbildung in der Regel nur noch zwei bis drei Kinder zur Welt bringen und nicht vier bis fünf, wie es im afrikanischen Durchschnitt immer noch der Fall ist. „Den Frauen kommt bei der Entwicklung Afrikas eine zentrale Rolle zu“, unterstreicht Kreutzberg. „Sie müssen in die Lage versetzt werden, ihr Leben und ihre Familienplanung selbst zu bestimmen und die Gesellschaft mit zu gestalten. Denn nur, wenn hier ein Umdenken stattfindet, gibt es überhaupt die Chance auf eine demografische Dividende.“

Investitionen in die Zukunft

„Mit einer gezielten Demografiepolitik und Investitionen in die Gesundheitsversorgung, Mädchenbildung und Familienplanung können afrikanische Staaten den Bevölkerungswandel weiter vorantreiben,“ meint auch Catherina Hinz, Direktorin des Berlin-Instituts für Bevölkerung und Entwicklung. Im Jahr 2050 werden voraussichtlich 2,5 Milliarden Menschen in Afrika leben. „Dies mag dramatisch klingen, doch in den letzten Jahrzehnten hat sich das Bevölkerungswachstum in Afrika bereits verlangsamt. Länder wie Äthiopien, Senegal und Tunesien haben große Fortschritte in Sachen Gesundheit, Bildung und Gleichberechtigung gemacht, was auch dazu geführt hat, die Geburtenrate zu senken.“

Der Aufbau sozialer Grundsicherungssysteme ist eine weitere wichtige bevölkerungspolitische Maßnahme, die verspricht, die Bedürftigsten aus der Armut zu heben, Fortschritte bei der Ernährung, Gesundheit und Bildung zu beschleunigen und den demografischen Wandel voranzutreiben. „Angesichts der großen Jugendgeneration, die jetzt auf den Arbeitsmarkt strömt, sollten afrikanische Regierungen vor allem Sozialversicherungen für junge Erwerbstätige stärker in den Blick nehmen“, fordert Hinz. Ein Großteil der jungen Menschen arbeitet im informellen Sektor – ohne jegliche Absicherung. „Ob sie sich bei Krankheit, Verlust des Jobs oder im Alter absichern können, wird sich nicht nur auf ihre Zukunftschancen, sondern auch auf ihre Familienplanung auswirken.“

Starke Frauen sind der Schlüssel

„Acht Milliarden Menschen sind acht Milliarden Chancen“, sagt Dr. Bärbel Kofler, parlamentarische Staatssekretärin im Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ). Damit alle ihr Potenzial entfalten und sich für ihre Gesellschaften einbringen können, brauchten sie Zugang zu Gesundheitsleistungen, Bildung, Beschäftigung und sozialer Sicherung. Das gelte insbesondere für Frauen und Mädchen, so Kofler: „Starke und selbstbestimmte Frauen sind der Schlüssel für eine nachhaltige Entwicklung ganzer Gesellschaften.“ Aus diesem Grund verfolge das BMZ eine feministische Entwicklungspolitik und investiere über die bilaterale Initiative „Selbstbestimmte Familienplanung und Müttergesundheit“ im Schnitt 100 Millionen Euro jährlich in die sexuelle und reproduktive Gesundheit und Rechte von Frauen und Mädchen.

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