Pressemitteilung | 30.09.2020Neue Studie zur Trendwende in der Ost-West-Wanderung
30 Jahre nach der Deutschen Einheit ist die Binnenwanderung zwischen den ostdeutschen Flächenländern und Westdeutschland nahezu ausgeglichen. Während die ostdeutschen Länder (ohne Berlin) auf dem Höhepunkt der Abwanderung im Jahr 2001 einen Wanderungsverlust von knapp 100.000 Personen gegenüber dem Westen verzeichneten, kam es 2017 erstmals zu einem Wanderungsgewinn des Ostens von 4.000 Personen. Im Gegenzug ist die Zahl der West-Ost-Wanderer weitgehend stabil geblieben – sie schwankt seit 1991 relativ konstant um den Wert von etwa 90.000 Personen pro Jahr.
Weniger junge Erwachsene wandern in den Westen
Eine neue Studie von Forscherinnen und Forschern des Bundesinstituts für Bevölkerungsforschung (BiB), die jetzt im Fachmagazin Demographic Research erschienen ist, zeigt anschaulich, dass diese Trendwende vor allem auf den kontinuierlichen Rückgang der Abwanderung junger Erwachsener zurückzuführen ist. Während 2001 noch über 60.000 Menschen im Alter von 18 bis 24 Jahren vom Osten in den Westen gezogen sind, waren es 2018 nur noch etwa 20.000. Dass weniger junge Erwachsene in den Westen ziehen ergibt sich auch daraus, dass es im Osten Deutschlands mittlerweile eine Reihe von Groß- und Mittelstädten gibt, die für gut qualifizierte Arbeitnehmer zunehmend attraktiver geworden sind. „Der Anreiz, in den Westen zu gehen, ist heute deutlich geringer als noch vor einigen Jahren“, fasst die Geographin Dr. Nikola Sander die Ergebnisse zusammen.
Ostdeutsche Länder mit Wanderungsgewinn bei 30- bis 49-Jährigen
Dennoch ziehen nach wie vor mehr 18- bis 29-Jährige aus dem Osten in Richtung Westen als umgekehrt, was vor allem an den weiterhin besseren Berufschancen in den alten Bundesländern liegt. Anders verhält es sich bei Menschen zwischen 30 und 49 Jahren: In dieser Altersgruppe verzeichnen die ostdeutschen Bundesländer inzwischen Wanderungsgewinne gegenüber den alten Ländern. Einen Teil dieser Zuzüge machen sicherlich Menschen aus, die einst vom Osten in den Westen gegangen sind und nun wieder zurückkehren.
Frauen zogen nicht häufiger in den Westen als Männer
Der geringere Frauenanteil unter der Bevölkerung einiger ländlicher Regionen Ostdeutschlands wird oft auf die vermehrte Abwanderung in den Westen zurückgeführt. „Unsere Studie kann jedoch nicht bestätigen, dass Frauen nach der Wiedervereinigung häufiger von Ost nach West gewandert sind“, erklärt Sander. Vielmehr war das Geschlechterverhältnis der Ost-West-Wanderer nach der Wiedervereinigung ausgeglichen, und ab 2008 sind sogar mehr Männer von Ost nach West gewandert. Auch in die entgegengesetzte Richtung, also von West nach Ost, gingen insgesamt mehr Männer als Frauen. Die ungleichen Geschlechterverhältnisse in vielen ländlichen Regionen Ostdeutschlands sind weniger auf die Ost-West-Wanderung als auf die Land-Stadt-Wanderung zurückzuführen. So ziehen junge Frauen in Ostdeutschland häufiger als Männer für Ausbildung und Studium vom Land in die Stadt.
Weiterhin Abwanderung aus Sachsen-Anhalt und Thüringen
Damit hat sich innerhalb der letzten drei Jahrzehnte das Wanderungsgeschehen in Deutschland erheblich verändert. Die 1990 begonnene Abwanderung vom Osten in den Westen hatte dazu geführt, dass die Bevölkerung in Ostdeutschland bis 2018 um mehr als 1,2 Millionen Einwohner zurückgegangen war. Von der aktuellen Trendwende profitieren aber nicht alle ostdeutschen Bundesländer gleichermaßen: Während Mecklenburg-Vorpommern, Brandenburg und Sachsen im Jahr 2018 Wanderungsgewinne gegenüber den westdeutschen Bundesländern verzeichneten, verloren Sachsen-Anhalt und Thüringen weiterhin an Bevölkerung gegenüber dem Westen.
Abbildung beschreibt Nettowanderung zwischen den Ländern
Die untenstehende Abbildung zeigt die Nettowanderung, also die Differenz zwischen der Zahl der Zuzüge und der Zahl der Fortzüge, zwischen den ost- und westdeutschen Bundesländern ohne Berlin. Die Farbe der Wanderungsbewegung zeigt deren Richtung an, die Breite deren Größe. So wird zum Beispiel der Wanderungsverlust Bayerns (dunkelblauer Balken) gegenüber Sachsen (gelber Balken) von rund 1.000 Personen durch den breiten dunkelblauen Strom dargestellt.
Quelle: BiB