Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung

14.07.2020 | Neue BiB-StudieEltern während der Corona-Krise

Der Lockdown aufgrund der Corona-Pandemie hatte weitreichende Folgen auf das Arbeits- und Familienleben in Deutschland. Eine neue Untersuchung des BiB geht deshalb der Frage nach, wie Eltern mit minderjährigen Kindern in dieser Zeit Beruf und Familie organisiert haben. Außerdem wurde untersucht, wie sich der Lockdown auf die Lebenszufriedenheit auswirkte und welche Rolle Eltern in systemrelevanten Berufen dabei gespielt haben.

Video zur Pressekonferenz am 14. Juli 2020

Über 25 Millionen Eltern und Kinder betroffen

Während des Lockdowns aufgrund der Corona-Pandemie haben sich Kurzarbeit, Homeoffice und Kontaktbeschränkungen massiv auf das Arbeits- und Familienleben ausgewirkt. Diese Einschränkungen betrafen einen Großteil der Wohnbevölkerung: „Alleine in Deutschland leben gegenwärtig rund 14,6 Millionen Eltern mit 11,1 Millionen minderjährigen Kindern und Jugendlichen im Haushalt“, beschreibt Prof. Dr. Norbert F. Schneider die Größenordnung. Vor allem Eltern mit jüngeren Kindern unter 12 Jahren standen in dieser Zeit vor einer großen Herausforderung. Sie mussten ihren Berufsalltag oft komplett neu organisieren und gleichzeitig zuhause die ganztätige Betreuung beziehungsweise Beschulung übernehmen.

Zahl der Eltern mit minderjährigen Kindern in Millionen (2018) Zahl der Eltern mit minderjährigen Kindern in Millionen (2018) Quelle: Statistisches Bundesamt (Mikrozensus 2018), Darstellung BiB

Deutschland bei der Nutzung von Homeoffice im Mittelfeld

Vor der Corona-Krise war das Arbeiten im Homeoffice wenig verbreitet: Im Jahr 2018 gaben nur 5,3 Prozent der Beschäftigten in Deutschland an, mindestens die Hälfte der Arbeitstage zuhause zu arbeiten, weitere 6,7 Prozent nutzten das Homeoffice in geringerem Umfang. Während Berufstätige in den Niederlanden oder in Skandinavien fast ein Drittel ihrer Arbeitszeit im Homeoffice arbeiteten, lag Deutschland im europäischen Vergleich lediglich im Mittelfeld. In der Zeit des Lockdowns ergriffen viele Unternehmer und Beschäftigte die Gelegenheit, das Homeoffice als neues Arbeitsmodell kennenzulernen. Im April 2020 arbeiteten 23 Prozent der Beschäftigten überwiegend im Homeoffice, damit hatte sich der Anteil gemessen am Wert vor der Krise mehr als vervierfacht.

42 Prozent der Beschäftigten halten Arbeiten im Homeoffice für möglich

Vor der Corona-Krise haben Männer etwas häufiger Homeoffice genutzt als Frauen. Insbesondere bei Lehrerinnen und Lehrern war gelegentliches Arbeiten Homeoffice mit 60 Prozent weit verbreitet. Relativ oft wurde das Arbeiten von zuhause aus auch in hochqualifizierten Büroberufen, wie Geschäftsführung, Einkauf und Vertrieb sowie Werbung und Marketing eingesetzt. Insgesamt gilt, dass von Personen mit einem höheren Bildungsabschluss und höherem Einkommen häufiger zuhause arbeiten. Bei Dienstleistungen am Menschen, bei der Herstellung und dem Verkauf von Lebensmitteln sowie bei Berufen im produzierenden Bereich ist Homeoffice demgegenüber kaum geeignet. Insgesamt wäre nach einer Selbsteinschätzung der Beschäftigten gelegentliches Homeoffice jedoch bei etwa 42 Prozent der Befragten möglich.

Recht auf Homeoffice darf nicht zur Pflicht werden

Prof. Dr. Norbert F. Schneider, Direktor des Bundesinstituts für Bevölkerungsforschung in Wiesbaden, sieht in der Corona-Phase auch einen Lernprozess für die Arbeitsorganisation von der Zukunft: „Es ist davon auszugehen, dass die Erfahrungen während des Lockdowns langfristig zu einer neuen Balance von An- und Abwesenheit am Arbeitsplatz führen werden.“ Berufe, die im Homeoffice ausgeübt werden können, dürften zunehmend von zuhause erledigt werden. Dies macht die flächendeckende Bereitstellung des Breitbandinternets zur Voraussetzung, um Homeoffice auch in ländlichen Gebieten zu ermöglichen. Die Vorteile dieser Entwicklung sind eine geringere Verkehrsbelastung und ein Rückgang beim Pendeln, mehr Flexibilität für die Vereinbarkeit von Beruf und Familie und eine Begrenzung des Urbanisierungstrends. Allerdings sind immer auch die Voraussetzungen bei den Arbeitnehmern zu berücksichtigen. Nicht alle haben die optimalen Rahmenbedingungen, um von zuhause aus zu arbeiten. „Das Recht auf Homeoffice darf deshalb nicht zur Pflicht werden“, stellt Prof. Dr. Norbert F. Schneider klar.

Mütter arbeiten häufiger in systemrelevanten Berufen als Väter

Während der Corona-Krise standen Beschäftigte in „systemrelevanten“ Berufen besonders im Blickpunkt. Als systemrelevant wurden dabei Tätigkeiten identifiziert, die zur Aufrechterhaltung der „kritischen Infrastruktur“ notwendig sind – beispielsweise in den Bereichen Gesundheit, Energiegewinnung oder Ernährung. Gegenwärtig sind insgesamt 3,4 Millionen Eltern in systemrelevanten Berufen tätig, die meisten davon im Gesundheitswesen und in der öffentlichen Verwaltung. Dabei zeigt sich ein deutlicher Unterschied bei den Geschlechtern: Mehr als die Hälfte alle erwerbstätigen Mütter übt eine systemrelevante Tätigkeit aus (52 Prozent), bei den Vätern ist es etwa ein Drittel (34 Prozent).

Anteile von Müttern und Vätern in systemrelevanten Berufen Anteile von Müttern und Vätern in systemrelevanten Berufen Quelle: Statistisches Bundesamt (Mikrozensus 2018), Berechnung und Darstellung BiB

Über ein Drittel der Mütter in systemrelevanten Berufen verdient weniger als 1.100 Euro netto monatlich

Während der Lockdown-Phase entstand häufig das Dilemma, dass der im systemrelevanten Beruf arbeitende Elternteil nicht unbedingt der besserverdienende war. So erwirtschaften zwei Drittel der Mütter in systemrelevanten Berufen weniger Einkommen als ihre Partner. Rund 36 Prozent aller Mütter in systemrelevanten Bereichen verdienen monatlich weniger als 1.100 Euro netto, nur zehn Prozent 2.600 Euro oder mehr. Dies liegt zum einen in der weiten Verbreitung von Teilzeitbeschäftigungsverhältnissen bei Müttern, zum anderen ist dies auch auf die jeweilige Branche zurückzuführen: „Es ist bemerkenswert, dass Menschen in vielen systemrelevanten Berufen relativ wenig verdienen. Und davon sind Frauen in besonderer Weise betroffen“, erklärt Dr. Inga Laß vom BiB.

Nettoeinkommen in Paarfamilien: Mütter mit Kindern unter 12 Jahren in systemrelevanten Bereichen Nettoeinkommen in Paarfamilien: Mütter mit Kindern unter 12 Jahren in systemrelevanten Bereichen Quelle: Statistisches Bundesamt (Mikrozensus 2018), Berechnung und Darstellung BiB

Corona-Krise veränderte Arbeitsteilung zwischen den Geschlechtern nicht

Ein Blick auf die Zeitverwendung zwischen 2018 und der Lockdown-Phase im April 2020 zeigt deutlich, wie sich der Zeitaufwand für die Erwerbsarbeit verändert hat: Bei den Männern fiel er von 9,6 auf 7,4 Stunden pro Tag, bei Frauen von 8,3 auf 7,0 Stunden. Diese Rückgänge sind sowohl bei Eltern als auch bei Kinderlosen zu beobachten. Ein anderes Bild ergibt sich bei der Zeit, die für die Familien- und Hausarbeit aufgewendet wurde: Bei Müttern stieg sie im gleichen Zeitraum von 6,6 auf 7,9 Stunden pro Tag an, bei Vätern von 3,3 auf 5,6. Der Anstieg zeigt sich besonders bei Vätern in Kurzarbeit, die während des Corona-Lockdowns 8,1 Stunden Familienarbeit leisteten – und damit in etwa so viel wie die Mütter im Durchschnitt. Daraus wird deutlich, dass die Geschlechterunterschiede bei der Zeitverwendung für Haus- und Familienarbeit geringer geworden sind. Dr. Martin Bujard vom BiB folgert daraus: „Auf Basis der Daten lässt sich die These einer Re-Traditionalisierung in der geschlechtsspezifischen Arbeitsteilung nicht bestätigen.“

Veränderung der Zeit für Erwerbs- und Familienarbeit 2018 und 2020 an einem normalen Werktag (Durchschnitt) Veränderung der Zeit für Erwerbs- und Familienarbeit 2018 und 2020 an einem normalen Werktag (Durchschnitt) Quelle: Mannheimer Corona-Studie 2020, gewichtet, Darstellung BiB

Eltern sind stärker belastet als Kinderlose

Fast die Hälfte der Eltern – und damit ein deutlich höherer Anteil als bei den Personen ohne Kinder – empfand die Lockdown-Phase als sehr belastend. Dabei berichteten Frauen häufiger als Männer von einer hohen Belastung, unter den alleinerziehenden Müttern gaben sogar rund 60 Prozent eine hohe Gesamtbelastung an. Bei einem kleineren Teil der Eltern lassen die Analysen eine Beeinträchtigung der psychischen Gesundheit erkennen.

Die Untersuchung ermöglicht auch Aussagen über den Grad der Familienzufriedenheit in dieser Zeit. Demnach waren Väter in Kurzarbeit am zufriedensten, Mütter in derselben Situation waren hingegen deutlich unzufriedener. Umgekehrt waren Mütter im Homeoffice etwas zufriedener als Väter.

Download

Bericht zur Pressekonferenz

Pressekontakt

Dr. Christian Fiedler
Telefon: 0611 75 4511
E-Mail: presse@bib.bund.de

Weitere Informationen

Hinweis zur Verwendung von Cookies

Cookies erleichtern die Bereitstellung unserer Dienste. Mit der Nutzung unserer Dienste erklären Sie sich damit einverstanden, dass wir Cookies verwenden. Weitere Informationen zum Datenschutz erhalten Sie über den folgenden Link: Datenschutz

OK