04.12.2019 | Neue BiB-StudieGewinner der Globalisierung
Im Policy Brief werden erste Ergebnisse der GERPS-Studie veröffentlicht, die die internationale Migration von Deutschen in den Blick nimmt. Im Mittelpunkt steht die Frage: Wie wirken sich Auslandsaufenthalte auf Gehalt und Karriere aus? Die Studie wird gemeinsam vom Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung (BiB) in Wiesbaden und dem Institut für Soziologie der Universität Duisburg-Essen durchgeführt.
In der German Emigration and Remigration Panel Study (GERPS) wurden über 10.000 deutsche Staatsbürger im Alter zwischen 20 und 70 Jahren befragt, die zwischen Juli 2017 und Juni 2018 ins Ausland gezogen oder aus dem Ausland nach Deutschland zurückgekehrt sind. Diese Datenbasis bietet erstmals eine repräsentative Grundlage zur Untersuchung der Konsequenzen von Auslandsaufenthalten für den weiteren Lebensverlauf. Die Studie GERPS stellt damit die klassische Herangehensweise der Migrationsforschung auf den Kopf: Sie untersucht nicht Zuwanderer aus einer Vielzahl von Herkunftsländern in einem Zielland, sondern konzentriert sich auf die Menschen eines Herkunftslandes in einer großen Zahl von Zielländern.
Video zur Pressekonferenz am 4. Dezember 2019
Mobilität Deutscher im internationalen Vergleich relativ hoch
Anzahl und Anteil der im Ausland lebenden Staatsbürger ausgewählter OECD-Länder
Quelle: DIOC-Datenbank der OECD 2015/2016; eigene Darstellung
Migration steht meist in Verbindung mit Wanderungen aus ökonomisch geringer in höher entwickelte Länder. Dagegen ist die grenzüberschreitende Migration zwischen den Industriestaaten ebenfalls ein wichtiger Bestandteil globaler Wanderungsbewegungen: Gegenwärtig leben mehr als 45 Millionen Menschen aus den 36 OECD-Staaten außerhalb ihres Geburtslandes in einem anderen Mitgliedstaat der OECD. Insbesondere Deutschland weist eine international vergleichsweise mobile Bevölkerung auf. In allen OECD-Staaten leben 3,8 Millionen Deutsche, und die Auswanderungsrate – bezogen auf die in Deutschland wohnende Bevölkerung – ist mit 5,1 Prozent höher als bei vielen anderen Industrienationen. Zum Vergleich: Für Menschen in Polen liegt die Rate bei 10 Prozent, bei US-Amerikanern (0,7 Prozent) sowie bei Japanern (0,6 Prozent) sind die Werte hingegen sehr niedrig.
Jedes Jahr ziehen rund 180.000 Deutsche ins Ausland
Innerhalb des letzten Jahrzehnts haben jedes Jahr durchschnittlich 180.000 Personen mit deutscher Staatsangehörigkeit Deutschland verlassen. Im gleichen Zeitraum kehrten jedes Jahr durchschnittlich 129.000 Personen wieder nach Deutschland zurück. Insgesamt führt dies zu einer kontinuierlich wachsenden Zahl von in Deutschland lebenden Menschen mit Auslandserfahrungen. Nach Angaben des Mikrozensus haben bereits über zwei Millionen Deutsche, die selbst in Deutschland geboren wurden, schon mal für mindestens ein Jahr im Ausland gelebt. „Insgesamt leben gegenwärtig etwa 4 Millionen Deutsche im Ausland. Für einen Großteil ist der Aufenthalt aber nur temporär. Über zwei Drittel der ausgewanderten Personen bleiben nur wenige Jahre im Ausland“, erklärt Prof. Dr. Norbert F. Schneider, Direktor des Bundesinstituts für Bevölkerungsforschung.
International mobile Deutsche: überwiegend jung und gut ausgebildet
Quelle: BiB
Wer sind die Menschen, die Deutschland verlassen? Die Ergebnisse der GERPS-Studie belegen, dass international Mobile überwiegend jünger als die Wohnbevölkerung sind. Sie sind im Schnitt 36,6 Jahre alt und liegt damit rund zehn Jahre unter dem Alter der Gesamtbevölkerung. Der Anteil der 25- bis 39-Jährigen liegt mit 63 Prozent bei den ins Ausland umgezogenen Deutschen deutlich über dem Anteil dieser Altersklasse in der Gesamtbevölkerung in Deutschland. Menschen mit hohen Berufsabschlüssen entscheiden sich zudem weitaus häufiger für einen Umzug ins Ausland. Etwa drei Viertel der befragten Deutschen haben einen Hochschulabschluss, obwohl sie in der Bevölkerung nur gut ein Viertel ausmachen. So finden sich unter den Auswanderern überproportional viele Personen mit einem Masterabschluss oder einer Promotion. Menschen mit einem gymnasialen oder niedrigeren Schulabschluss sind hingegen unterrepräsentiert.
Berufliche Gründe meist ausschlaggebend für Umzug ins Ausland
Quelle: BiB
Die Entscheidung, das Land für längere Zeit zu verlassen, geht meistens auf mehrere Gründe zurück. Dazu Prof. Dr. Marcel Erlinghagen von der Universität Duisburg-Essen: „Es liegt immer ein ganzes Motivbündel zugrunde, letztlich muss das Gesamtpaket stimmen. Innerhalb dessen spielen berufliche Gründe jedoch eine zentrale Rolle.“ Insgesamt nennen 58 Prozent der Befragten eigene berufliche Gründe bei der Entscheidung für ein Leben im Ausland, weitere 29 Prozent geben den Beruf des Partners bzw. der Partnerin an. Erlinghagen fügt weiter an: „Der Weg ins Ausland ist chancengetrieben - es gehen nicht die Verbitterten oder Enttäuschten, sondern diejenigen, die schon in Deutschland erfolgreich waren und den nächsten Karriereschritt planen.“
In den meisten Fällen bildet der Job die wesentliche Motivation für einen Wegzug aus Deutschland. Insgesamt nennen 58 Prozent der Befragten eigene berufliche Gründe bei der Entscheidung für ein Leben im Ausland, weitere 29 Prozent geben den Beruf des Partners beziehungsweise der Partnerin an. Weitere Motive, Deutschland zumindest temporär zu verlassen sind demnach der eigene Lebensstil (46 Prozent), Familie und Partnerschaft (36 Prozent) sowie die Fortführung des Studiums (20 Prozent). Eine Unzufriedenheit mit dem Leben in Deutschland wird in 18 Prozent der Fälle angegeben.
Monatlicher Nettoverdienst steigt um 1.186 Euro
Geschätzter Anstieg der Nettoverdienste nach Bildungsniveau und Geschlecht
Quelle: Daten: GERPS 2018/19, Welle 1.
Die Ergebnisse der Befragung ergeben, dass der persönliche monatliche Nettoverdienst von Vollzeitbeschäftigten zwischen den letzten Monaten vor der Auswanderung und dem Zeitpunkt der Befragung im Ausland deutlich angestiegen ist. Im Schnitt liegt der Zuwachs bei 1.186 Euro pro Monat. Der deutliche individuelle Gewinn bei den monatlichen Nettoverdiensten bleibt auch unter Kontrolle der bestehenden Kaufkraftunterschiede zwischen Deutschland und den verschiedenen Zielländern der Auswanderer im Grundsatz bestehen.
Der Nachweis gestiegener Nettoverdienste gilt für alle Bevölkerungsgruppen gleichermaßen - unabhängig von ihrer Qualifikation. Der Umzug ins Ausland führt sowohl bei Akademikern als auch bei Nicht-Akademikern zu einem vergleichbaren Anstieg der Nettoeinkommen. Somit profitieren Nicht-Akademiker - bezogen auf ihr vorheriges Lohnniveau - von internationaler Mobilität sogar noch deutlicher als Akademiker. Auch der Unterschied zwischen den Geschlechtern ist gering. Die Lohnveränderung unterscheidet sich im Durchschnitt kaum zwischen Frauen und Männern, die sowohl vor als auch nach dem Umzug ins Ausland abhängig erwerbstätig sind. Allerdings führt die Migration auch regelmäßig zu einem (zumindest temporären) Ausstieg aus dem Erwerbsleben; dies kommt bei Frauen mit 23 Prozent häufiger vor als bei Männern (11 Prozent).
Kein Hinweis auf „brain drain“
Im Rahmen der Untersuchung wurden auch aus dem Ausland nach Deutschland zurückkehrende Personen befragt. Die Ergebnisse zeigen, dass Auslandsaufenthalte meist nur für einige Jahre erfolgen und zeitlich befristet sind. Diese Form internationaler Migration führt gesellschaftlich auf längere Sicht nicht zu einem „brain drain“, also einem dauerhaften Verlust von Fachkräften aus Deutschland. „Vielmehr deuten die Befunde auf eine „brain circulation“ hin und damit auf eine weitgehend ausgeglichene Qualifikationsstruktur der Aus- und Rückwanderer“, resümiert der Politologe Dr. Andreas Ette vom Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung.