Inhalt und Ziele
Die Größe der gesellschaftlichen Herausforderungen, die sich in Deutschland aus der anstehenden Verrentung der Babyboomer ergeben, hängt auch wesentlich davon ab, wie sich die Erwerbstätigkeit älterer Personen und damit auch die allgemeine Lebensarbeitszeit in Zukunft verändern werden. In diesem Forschungsprojekt vorgenommene Berechnungen zur Lebensarbeitszeit erlauben detaillierte Einblicke in Bezug auf Verteilungen von Lebensarbeitszeit verschiedener Altersgruppen nach Geburtsjahrgängen und Kalenderjahren. Vergleichende Betrachtungen von Geburtsjahrgängen liefern wichtige Erkenntnisse aus der Kohortenperspektive, wohingegen ein großer Vorteil von Entwicklungen nach Kalenderjahren in der längeren Verfügbarkeit von Zeitreihen besteht. Konzeptionell vereint die Analyse von Lebensarbeitszeit ökonomische und demografische Aspekte in einem Indikator, der eine andere Perspektive aufgreift als etwa die häufig anzutreffende Betrachtung der Entwicklung von Erwerbstätigenquoten. Ein wichtiges Merkmal der Untersuchungen ist die Gewichtung der Erwerbstätigenquoten mit der normalerweise geleisteten Wochenarbeitszeit. Dieser Aspekt ist zum Beispiel in der Diskussion um Arbeitspotenziale von Bedeutung (Stichwort Teilzeitarbeit). Im Zusammenhang mit einem steigenden gesetzlichen Renteneintrittsalter und der Zunahme der Erwerbstätigkeit Älterer ist es wichtig, sozioökonomische Unterschiede im Erwerbsverhalten im Blick zu behalten. Berechnungen auf Grundlage der Daten des Mikrozensus von 1996 bis 2019 für Deutschland dokumentieren einen universellen Anstieg der Erwerbslebensdauer der 55- bis 64-Jährigen der Geburtsjahrgänge 1941-1955 bei allen untersuchten Gruppen (differenziert nach Geschlecht, Wohnort Ost/West und Bildung bzw. Beruf). Erste Ergebnisse laufender Analysen zur Entwicklung der Erwerbslebensdauer nach Kalenderjahren (1991-2021) zeigen deutliche Rückgänge bei Jüngeren (15-24 Jahre), Anstiege bei Älteren (55-74 Jahre) und nach Region und Geschlecht unterschiedliche Entwicklungen im mittleren Alter (25-54 Jahre)
Auf europäischer Ebene zeigen Vergleiche von Entwicklungen der Lebensarbeitszeit und der gesunden Lebenserwartung – definiert nach verschiedenen gesundheitlichen Aspekten – ein heterogenes Bild; bei den 60- bis 69-Jährigen besteht grundsätzlich noch Potenzial für eine längere Arbeitsmarktbeteiligung. Neben Betrachtungen der Arbeitsmarktbeteiligung werden auch Analysen zu unbezahlter Arbeit und deren Veränderung über die Zeit angestrebt. Daten des Zeitverwendungssurvey des Statistischen Bundesamts erlauben zum Beispiel die Analyse von Tätigkeiten im Haushalt, von Betreuungs- und Bildungsaufwand für Kinder und andere Familienangehörige, sowie von ehrenamtlichen Tätigkeiten. Momentan liegt der Fokus der Forschungsaktivitäten auf Deutschland. Dort erreichen die Babyboomer gerade das Ruhestandsalter. Zukünftig sind auch weitere vergleichende Analysen mit anderen Ländern geplant.