Ehescheidungen und rohe Ehescheidungsziffer in Deutschland (1888-2020)
Die Zahl der Ehescheidungen und die rohe Scheidungsziffer hängen von vielen, vor allem auch gesellschaftlichen Faktoren ab. So sind die geringen Scheidungszahlen bis zum Zweiten Weltkrieg ein Spiegelbild der geringen gesellschaftlichen Akzeptanz von Ehescheidungen. Die niedrigen Scheidungszahlen in den 1960er Jahren hängen vor allem mit dem hohen Wert zusammen, der der Ehe im „Goldenen Zeitalter von Ehe und Familie“ innewohnte. Erst mit der Modernisierung der Institution Ehe - der Versorgungsaspekt wird allmählich durch partnerschaftlichen Zusammenhalt ersetzt - und der steigenden Akzeptanz nichtehelicher Lebensformen galt auch eine Ehe nicht mehr unter allen Bedingungen als lebenslange Verbindung und die Zahl der Scheidungen stieg. Seit dem Höhepunkt im Jahr 2003 sinkt die Scheidungszahl nahezu kontinuierlich ab. Ursachen dafür sind sowohl ein Rückgang der Eheschließungen als auch eine geringere Scheidungshäufigkeit.
Der tiefe Einschnitt bei den Ehescheidungen Ende der 1970er Jahre hängt mit der Einführung des neuen Scheidungsrechts im früheren Bundesgebiet zusammen, was aufgrund verfahrensrechtlicher Änderungen zu Verzögerungen führte. In Ostdeutschland ergaben sich analoge Effekte durch die Einführung des Trennungsjahrs und Umstellungen in der Arbeit der Familiengerichte Anfang der 1990er Jahre.