Online-Diskussion | 14.04.2025Demografische Faktoren bei der Bundestagswahl 2025
Wie wirkt sich die demografische Alterung auf das Parteiensystem aus? Welche Rolle spielten junge Wählergruppen? Expertinnen und Experten diskutierten am 3. April, wie das Wahlergebnis im Kontext aktueller demografischer Trends einzuordnen ist. Organisiert wurde die Diskussionsrunde von Population Europe und dem Arbeitskreis Demografiepolitik der Deutschen Gesellschaft für Demographie (DGD). Sie ist eine Begleitveranstaltung der Berliner Demografie-Tage 2025, bei denen das BiB Partner ist.
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Bei der Bundestagswahl 2025 haben sowohl CDU als auch SPD vom Wahlverhalten ihrer älteren Wählerschaft profitiert. Gleichzeitig haben laut den Wahlanalysen vor allem jüngere Wähler zum Wahlerfolg der AfD und der Linken beigetragen. Zentrales Thema im Wahlkampf war die Migration. Waren damit demografische Themen wahlentscheidend? Ganz so einfach ist es nicht, sagte Prof. Dr. Tilman Mayer (Universität Bonn). Aus demografischer Sicht ist weniger die Migration für die Zukunft der deutschen Gesellschaft entscheidend als vielmehr die demografische Alterung. Dr. Andreas Edel (Population Europe) kritisierte, dass die Demografie nach wie vor in vielen Politikfeldern nicht die Aufmerksamkeit bekommt, die sie verdient.
Ältere sind wahlentscheidend
Mit Blick auf die deutlichen Wahlerfolge der AfD wies Dr. Anne-Sophie Heinze (Universität Trier) auf die Erfolge der Partei vor allem bei den jungen Wählerinnen und Wählern hin. „Diese Wählergruppe ist aber sehr heterogen und divers, das geht im öffentlichen Diskurs oftmals unter“, betonte sie. Schließlich hat auch die Linke von den Jungen profitiert. „Das volatile Wahlverhalten der Jungen und ihre sinkende Parteibindung werden für CDU und SPD noch zum Problem“, so Dr. Heinze.
Trotz dieser Zunahmen an den Rändern durch die Jungen werden die Wahlen auch künftig von den 60- bis 70+-Jährigen entschieden. Daher richten die „alten“ Parteien ihr Wahlprogramm vor allem auf diese Wählergruppe aus.
Wählen sozial Benachteiligte eher AfD?
Allerdings spielt aus Sicht der Wahlforschung nicht nur das Alter eine Rolle. Der hohe Zuspruch für die AfD ist auch ein Ausdruck einer gefühlten sozialen Benachteiligung, betonte die Wahlforscherin Dr. Yvonne Schroth (Forschungsgruppe Wahlen).
Der Politologe Prof. Dr. Martin Elff (Zeppelin Universität Friedrichshafen) betrachtete die AfD dagegen keineswegs als Sprachrohr der Abgehängten: „Das Gefühl sozialer Benachteiligung ist für mich kein Anlass, AfD zu wählen“, so der Politologe. Die Ursachen dafür sind vielmehr multikausal, wobei die Bildung eine wichtige Rolle spielt, denn: „Es sind eher die niedrig Gebildeten, die für die Parolen der AfD empfänglich sind.“
Dass die AfD sich im Hinblick auf das Wahlverhalten ihrer Wählerinnen und Wähler nicht mehr von dem der anderen Parteien unterscheidet, machte Dr. Sabine Pokorny (Konrad-Adenauer-Stiftung) deutlich. „Klassische Faktoren wie das Personenangebot oder die Problemlösungskompetenz spielen auch für die AfD-Anhängerinnen und -Anhänger eine Rolle.“
Daher kann bei der Mehrheit der AfD-Wählerschaft nicht mehr von einer reinen Protestwahl gesprochen werden. Dass die AfD in Ostdeutschland Volksparteicharakter hat, bestätigte Dr. Schroth: „Im Osten verfügt sie über eine Stammwählerschaft, die durch die bewusste Betonung einer ostdeutschen Identität mobilisiert wird.“
Jedoch findet in der Diskussion oft kaum Beachtung, dass zwei Drittel der AfD-Wählenden aus Westdeutschland stammen und somit nicht von einem Ostdeutschen Problem gesprochen werden kann.
Warum wird die AfD gewählt?
Dass die Ursachen für den Aufstieg der AfD auch in der Medienberichterstattung und einer schlechten politischen Kommunikation durch die Ampelkoalition liegen und weniger in demografischen Veränderungen zu sehen sind, betonte der Mitherausgeber der FAZ, Jürgen Kaube.
Demografische oder kulturell-gesellschaftliche Erklärungsansätze reichten für eine Verdoppelung der AfD-Stimmen in den letzten drei Jahren nicht aus, da sich die Sozialstruktur der Bundesrepublik in den letzten Jahren nicht geändert hat: „Ich kann keine innenpolitischen Epochenzäsuren in der Regierungszeit der Ampel erkennen. Entscheidend ist daher das Regierungsgeschehen und die mediale Repräsentation der Regierung. Offenkundig hat man der Regierung in manchen Kreisen nichts mehr zugetraut“, sagte Kaube.
Hinzu kommt ein Gefühl der Machtlosigkeit gegenüber Veränderungen und ein steigender Zweifel an dem Funktionieren der Demokratie in Teilen der Wählerschaft, die das Potenzial haben, weiter zur Stärkung der AfD beizutragen.