Im Gespräch | 11.02.2025Frauen in der Wissenschaft
Chancengleichheit in Wissenschaft und Forschung bleibt ein zentrales Thema – auch in Deutschland. Zum Internationalen Tag der Frauen und Mädchen in der Wissenschaft am 11. Februar 2025 spricht BiB-Direktorin und Bildungsökonomin Prof. Dr. C. Katharina Spieß als erfahrene Wissenschaftlerin mit der Studentin und BiB-Praktikantin Francesca D'Addario, die eine akademische Karriere anstrebt.
Prof. Dr. C. Katharina Spieß, Direktorin des Bundesinstituts für Bevölkerungsforschung (BiB) und Bildungsökonomin
Quelle: © BiB
Frau Prof. Dr. Spieß, seit Jahren wird diskutiert, dass Jungen in der Schule zunehmend zu „Bildungsverlierern“ werden. Mädchen erzielen im Schnitt bessere Schulabschlüsse, und ihr Anteil unter den Studierenden an Universitäten übersteigt den der Männer. Dennoch nimmt der Frauenanteil mit steigender akademischer Qualifikation ab. Woran liegt das?
Das ist in der Tat eine interessante Frage, zu der es schon einige Forschung gibt. Die Gründe für diese Entwicklung sind, wie so oft, vielschichtig. Das hat damit zu tun, wie Frauen begegnet wird, was ihnen zugetraut wird, und was die gesellschaftlichen Normen sind. Der „unconscious bias“, also unbewusste Vorurteile gegenüber Frauen, spielt auch in der Wissenschaft eine Rolle. Von den gesellschaftlichen Normen geprägt, haben Frauen ihre Vorstellungen und Präferenzen. Die Sorge- und Erziehungsarbeit wird nach wie vor mehrheitlich von Frauen getan, und es ist nicht einfach, diese mit einer wissenschaftlichen Karriere zu kombinieren. Das schreckt viele Frauen ab, und nach wie vor weniger Männer.
Was empfehlen Sie jungen Menschen, die noch im Studium sind und sich vorstellen könnten eine wissenschaftliche Laufbahn einzuschlagen? Unterscheiden sich Ihre Empfehlungen für männliche und weibliche Studierende?
Ich rate allen, sich erst einmal anzuschauen, ob sie gerne wissenschaftlich arbeiten. Das kann man bei einer Masterarbeit und der Promotion gut „ausprobieren“. Wenn da der Funke überspringt und man erkennt, dass man genau für diese Art des Arbeitens brennt, dann lohnt es sich. Darüber hinaus muss man sehr resilient sein und mit Höhen und insbesondere Tiefen gut umgehen können. Das rate ich sowohl jungen Männern als auch jungen Frauen. Tendenziell zweifeln eher junge Frauen daran, ob sie den nicht einfachen Weg durchhalten. Das versuche ich mit ihnen zu besprechen.
Was hat sich in den letzten 20 Jahren seit Beginn Ihrer Wissenschaftskarriere für Frauen in der Wissenschaft verändert?
Es sind inzwischen viel mehr Frauen als Hochschullehrerinnen an Universitäten oder außeruniversitären Einrichtungen tätig. Wir wissen alle, es hat sich da viel getan – aber noch ist der Frauenanteil in der Professorenschaft geringer als der von Männern. Geändert hat sich das Bewusstsein dafür, wie Frauen unterstützt werden können beziehungsweise sensibel für diese Themen zu sein. Ich finde es gut, dass man sich heute überlegt, wie man damit umgeht, dass insbesondere Frauen beispielsweise von Gremienarbeit mehr belastet sind als Männer. Das muss anders kompensiert werden, das finde ich wichtig, denn wir brauchen Frauen in den Gremien.
Was können junge Frauen, die sich für eine akademische Berufslaufbahn interessieren, schon zu Beginn ihres Studiums tun, um Einblicke zu gewinnen und sich den Einstieg zu erleichtern?
Sie können, so wie Sie, sich eine Forschungseinrichtung von innen anschauen. Sie könnten darüber hinaus als studentische Hilfskraft oder Tutorin arbeiten. Das habe ich beides in meinem Studium gemacht und da gute Einblicke erhalten. Auch bei der Fachschaftsarbeit habe ich viele gute Einblicke darüber erhalten, wie das Universitätssystem von innen funktioniert. Darüber hinaus kann man sich auch mit Promovierenden oder anderen Mitarbeitenden an den Forschungseinrichtungen austauschen. Ich finde es aber auch wichtig, zu erkennen, wenn die Forschung nichts für einen ist. Es gibt viele spannende Berufsfelder – die kann man auch mal ausprobieren, wenn man sich nicht sicher ist.
Francesca D`Addario
„Ich habe schon relativ früh im Studium mein Interesse an den vielseitigen Themen der Soziologie und besonders an der Methodik entdeckt. Durch das Praktikum möchte ich herausfinden, ob meine Vorstellung vom Alltag in einem Forschungsinstitut der Realität entspricht. Gleichzeitig verunsichern mich der lange Ausbildungsweg, die geringe Jobsicherheit und die schwierige Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben, die mit einer akademischen Karriere verbunden sind.“
- 21 Jahre alt
- Bachelor-Studium der Soziologie (Hauptfach) und Kulturanthropologie & europäische Ethnologie (Nebenfach), Goethe Universität Frankfurt
- Praktikum am BiB im Forschungsbereich „Migration und Mobilität“ (Februar–März 2025)