Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung

Interview | 17.09.2024Weniger Pendelzeit durch Arbeiten im Homeoffice?

Die Coronapandemie hat gezeigt, wie schnell sich das Arbeitsleben verändern kann. Der Anteil des mobilen Arbeitens von Zuhause erhöhte sich in diesem Zeitraum stark. Eine neue Studie von PD Dr. Heiko Rüger (BiB), Dr. Inga Laß (University of Melbourne), Dr. Nico Stawarz (BiB) und Dr. Alexandra Mergener (Bundesinstitut für Berufsbildung) untersucht am Beispiel Australiens, wie sich das Arbeiten im Homeoffice auf die Pendelzeiten zum Arbeitsplatz auswirkt. Im Interview erläutert PD Dr. Heiko Rüger, Studienleiter und BiB-Mobilitätsforscher, die zentralen Ergebnisse.

Herr Dr. Rüger, schon vor der Coronapandemie wurde vermutet, dass sich durch das Arbeiten von Zuhause die Fahrten zum Arbeitsort und damit die Pendelzeit reduzieren. Sie haben diesen Zusammenhang am Beispiel Australiens untersucht. Führt das Arbeiten im Homeoffice zu Einsparungen bei der wöchentlichen Pendelzeit?

Wir haben auf Basis von Längsschnittdaten des „Household, Income and Labour Dynamics in Australia (HILDA) Survey“ aus den Jahren 2002 bis 2019 gezeigt, dass das Arbeiten im Homeoffice mit einer Reduktion der wöchentlichen Pendelzeit um durchschnittlich 14 Prozent verbunden ist. Die Daten bilden dabei die Situation vor Corona ab. Es zeigt sich, dass bereits unmittelbar mit dem Wechsel ins Homeoffice eine Reduktion der Pendelzeit eintritt, die dann mit zunehmender Dauer im Homeoffice weiter zunimmt.

Spielt es eine Rolle für die Pendeldauer, wieviel Zeit zu Hause gearbeitet wurde?

Ja. Ein erheblicher Rückgang der Pendelzeit ist nur dann erkennbar, wenn das Homeoffice in sehr hohem Ausmaß genutzt wird, also mindestens zu 60 Prozent der Gesamtarbeitszeit. Eine geringere Nutzung von Homeoffice könnte die Tatsache widerspiegeln, dass viele Erwerbstätige zusätzlich zu einem vollen Arbeitstag im Büro noch Arbeit mit nach Hause nehmen und somit letztlich keine Pendelzeit einsparen.

Gibt es Unterschiede zwischen Frauen und Männern?

Ja. Die Reduktion der Pendelzeit fällt bei den Frauen stärker aus als bei den Männern. Dies kann damit erklärt werden, dass aufgrund traditioneller Geschlechterrollen das Pendeln für Frauen mit höheren Belastungen verbunden ist und daher die Zeitersparnis durch Homeoffice für sie wichtiger ist.

Haben Sie sich auch den Zeitraum nach 2019 betrachtet?

Um eine Vorstellung davon zu bekommen, wie viel Pendelzeit in Zukunft durch Homeoffice eingespart werden kann, haben wir unsere Schätzungen mit den Ergebnissen aktueller Umfragen unter australischen Beschäftigten zu ihren Präferenzen hinsichtlich des Anteils von Homeoffice nach dem Ende der Coronapandemie kombiniert. Demnach würden die Pendelzeiten im Vergleich zu 2019 insgesamt um 17 Prozent bis 25 Prozent zurückgehen. Dies gilt unter der Voraussetzung, dass sich die zukünftigen Beschäftigten im Homeoffice ähnlich verhalten wie die Beschäftigten, auf die sich unsere Analyse stützt, und dass die in den Befragungen geäußerten Präferenzen in der Praxis vollständig realisiert werden können.

Darüber hinaus haben wir inzwischen auch die HILDA-Daten für die Jahre 2020 und 2021 ausgewertet, die die Zeit während der Coronapandemie abbilden. Die Ergebnisse zeigen, dass die Einsparung von Pendelzeit bei hybriden Arbeitsformen mit einem Homeoffice-Anteil von 40 bis 59 Prozent der Gesamtarbeitszeit – dies entspricht etwa 2 bis 3 Tagen bei einer 5-Tage-Woche – während der Pandemie größer war als zuvor. Eine Erklärung dafür könnte sein, dass während der Pandemie weniger Überstunden am Abend oder am Wochenende zu Hause geleistet wurden und stattdessen ganze Bürotage durch Homeoffice ersetzt wurden. Bei Personen mit sehr hoher Homeoffice-Intensität (also 60 Prozent oder mehr der Arbeitszeit) zeigen die Pendelzeiten nur geringe Veränderungen zwischen der Zeit vor und während der Pandemie, was darauf hindeutet, dass sich das Homeoffice- und Pendelverhalten dieser Gruppe kaum verändert hat, obwohl diese Gruppe zahlenmäßig deutlich gewachsen ist und sich in ihrer Zusammensetzung verändert hat.

Für die Zeit nach der Pandemie kann davon ausgegangen werden, dass der Zeitdruck am Arbeitsplatz und die damit verbundene Nutzung von Homeoffice für Überstunden wieder zunehmen werden. Es ist aber auch wahrscheinlich, dass häufiger als vor der Pandemie ganztägig von zu Hause aus gearbeitet wird. Insgesamt kann daher angenommen werden, dass die künftigen Einsparungen beim Pendeln durch Homeoffice irgendwo zwischen denen vor der Pandemie und denen während der Pandemie liegen werden.

Wie ist die Situation in Deutschland?

Leider gibt es für Deutschland aufgrund der bislang fehlenden Datenbasis keine vergleichbaren Untersuchungen zu dieser Frage. Wir gehen aber davon aus, dass die Ergebnisse unserer Studie in gewissem Umfang auch auf Deutschland übertragbar sind. Auf jeden Fall hat die Pandemie auch in Deutschland zu einer verstärkten Nutzung von Homeoffice geführt und ist heute aus dem Arbeitsleben nicht mehr wegzudenken.

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