Online-Konferenz | 11.06.2024Warum demografische Forschung zentral ist
Wie sehr kann Politik demografische Entwicklungen beeinflussen und welche Informationen benötigt sie dafür? Wie steht es um Daten, auf deren Basis eine evidenzbasierte Politikberatung und -gestaltung möglich ist? Über diese Fragen diskutierten hochrangige internationale und nationale Expertinnen und Experten, darunter BiB-Direktorin Prof. Dr. C. Katharina Spieß, auf der Online-Konferenz „Why Demography Matters. Population and Policy in the 21st Century“ des BiB und Population Europe am 3. Mai 2024.
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Alle an der Diskussion Beteiligten waren sich einig, dass die demografische Alterung weiter voranschreitet. Somit steht die Politik vor der Herausforderung, den demografischen Wandel nicht nur kurz-, sondern auch längerfristig zu gestalten. Nach Ansicht von Prof. Spieß könnte dabei ein Fokus auf der Erforschung der damit einhergehenden Ungleichheiten unter soziodemografischen Gruppen und den ungleichen Lebensverhältnissen zwischen Regionen liegen. Denn diese Disparitäten prägen das Leben der Menschen und damit demografische Ereignisse. Sie plädierte für eine zielgerichtete Politik für Regionen und unterschiedliche soziale Gruppen. Bei der Bewertung, welche Gruppen dies sind, ist eine Lebensverlaufsperspektive sehr hilfreich. Dabei sollte ein Hauptaugenmerk auch auf Bildungsverläufen liegen, angefangen von der frühen Bildung bis zur Bildung im höheren Alter.
Subjektives Wohlbefinden als Stellschraube
Zudem sollte der Blick stärker auf das subjektive Wohlbefinden der Bevölkerung gerichtet werden, da es demografische Entscheidungen von Menschen beeinflussen und eine Steigerung des Wohlbefindens zur Stabilisierung von Demokratien beitragen kann. Beim politischen Umgang mit dem demografischen Wandel spielt die längerfristige Perspektive eine entscheidende Rolle, wie einige Teilnehmerinnen und Teilnehmer betonten. „Eine Langzeitperspektive auf der Basis evidenzbasierter Politik ist immens wichtig. Vor 20 Jahren wurde bereits auf die Folgen des demografischen Wandels hingewiesen und wenige hörten zu. Heute, wo die Probleme sehr greifbar sind, ist das anders – denn den Fachkräftemangel erfahren viele Menschen im Alltag“, so Prof. Spieß. In der Diskussionsrunde herrschte Einigkeit darüber, dass Politik die demografische Entwicklung vorrangig indirekt beeinflussen kann.
Qualitative Dimension des Wandels
Beim Blick auf den demografischen Wandel wird meist vor allem die quantitative Dimension betont, also beispielsweise der Befund, dass in Deutschland künftig mehr ältere und insgesamt weniger Menschen leben werden. Allerdings geht es nicht nur um die Anzahl der Menschen, sondern auch um weitere Aspekte wie ihre Bildung, ihre Gesundheit und ihren Erwerbsumfang. So gibt es etwa in Deutschland einen im internationalen Vergleich hohen Anteil teilzeitarbeitender Frauen. In der Diskussion, wie der abnehmenden Zahl von Erwerbspersonen begegnet werden kann, müsse es vor diesem Hintergrund also auch um das Erwerbsvolumen von Frauen gehen. „Wie können wir ihre Erwerbswünsche realisieren? Warum arbeiten viele Frauen bis ins hohe Alter in Teilzeit?“ All dies sind aus Sicht von BiB-Direktorin Spieß wichtige Fragen.
Verlässliche Daten als Grundlage der Politikberatung
Evidenzbasierte Politikberatung benötigt gute und belastbare Daten. Für Deutschland ist die Gesamtsituation nicht zufriedenstellend, so Prof. Spieß. „Es ist wichtig, in Bereitstellung von Daten und die öffentliche Dateninfrastruktur zu investieren sowie Ressourcen für die bereitzustellen, die diese Daten mit den aktuellsten Methoden analysieren können. Dazu benötigt man exzellente Forschende.“ Auch in der Verknüpfung von Datensätzen liegen große Chancen, die es unter Wahrung des Datenschutzes noch stärker auszubauen gilt. Dabei spielen vor allem auch Daten auf regionaler Ebene eine wichtige Rolle.