Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung

FReDA Policy Brief | 29.05.2024Einsamkeit: Besonders Jüngere fühlen sich zunehmend einsam

Einsamkeit ist eine wachsende gesellschaftliche Herausforderung. In den letzten fünf Jahren hat das Gefühl der Einsamkeit in Deutschland zugenommen. Heute fühlt sich jeder Dritte zwischen 18 und 53 Jahren zumindest teilweise einsam. Jüngere Menschen unter 30 sind noch häufiger einsamkeitsgefährdet und scheinen eine neue Risikogruppe zu sein, wie Analysen des BiB für den Zeitraum von 2005 bis 2022 zeigen.

Einsame junge Frau steht auf Seebrücke und schaut in die Ferne Quelle: © fotoduets/stock.adobe.com

Die Untersuchung basiert auf den Datensätzen GGS, dem familiendemografischen Panel FReDA am BiB und dem Sozio-oekonomischen Panel (SOEP). Ziel war es, herauszufinden, wer besonders von Einsamkeit betroffen ist und wie sich das Einsamkeitsempfinden in Deutschland entwickelt hat.

Einsamkeitstrend setzt sich nach Pandemie fort

Während der Anteil der Einsamen im jungen und mittleren Erwachsenenalter (18 bis 53 Jahre) zwischen 2005 und 2017 relativ stabil bei 14 bis 17 Prozent lag, stieg er mit Beginn der Coronapandemie 2020 auf nahezu 41 Prozent an und erreichte 2021 fast 47 Prozent. Aktuelle Zahlen aus dem Winter 2022/2023 zeigen einen Rückgang auf 36 Prozent, was aber immer noch deutlich über dem Niveau vor der Pandemie liegt.

„Spätestens seit der Coronapandemie ist offensichtlich geworden, dass auch viele jüngere Menschen unter Einsamkeit leiden, selbst wenn sie nicht allein leben“, erklärt BiB-Wissenschaftlerin Dr. Sabine Diabaté, Mitautorin der Studie. Trotz des Wegfalls der Kontaktbeschränkungen sei bis Anfang 2023 kaum eine soziale Erholung zu verzeichnen: „In der postpandemischen Phase bleibt die Einsamkeit auf hohem Niveau bestehen, es zeichnet sich eine Tendenz zur Chronifizierung ab.“

Neue Risikogruppe: Jüngere Erwachsene

Einsamkeit ist nicht nur im mittleren Erwachsenenalter ab 30 Jahren weit verbreitet. Die Studie macht deutlich, dass seit der Pandemie auch die Gruppe der jungen Menschen unter 30 Jahren hinzugekommen ist. Sie sind signifikant häufiger von Einsamkeit betroffen. Etwa 44 Prozent von ihnen fühlen sich zumindest teilweise einsam. Bei den über 30-Jährigen sind es nur circa 33 Prozent. Nur eine Gruppe ist noch häufiger von Einsamkeit betroffen und zwar Alleinlebende und Allein- und Getrennterziehende. Bei ihnen verspüren über 50 Prozent ein Gefühl von Einsamkeit.

Grafik: Einsamkeitsprävalenz nach sozialstrukturellen Merkmalen, 2022  (Anteile in Prozent) Einsamkeitsprävalenz nach sozialstrukturellen Merkmalen, 2022 (Anteile in Prozent) Die Auswertungen zeigen unterschiedliche Risikofaktoren beim Empfinden von Einsamkeit. Demnach äußern sich jüngere Erwachsene (unter 30 Jahren) mit ihrem Sozialleben generell unzufriedener und schätzen sich häufiger einsamkeitsbetroffen ein als mittelalte Erwachsene (30-53 Jahre).

Welche Faktoren begünstigen das Einsamkeitsempfinden?

Die Untersuchung zeigt, dass jüngere Erwachsene (unter 30 Jahren) und Personen mit niedrigem sozioökonomischem Status häufiger von Einsamkeit betroffen sind. Auch Menschen ohne deutsche Staatsangehörigkeit, Allein- und Getrennterziehende sowie Erwerbslose und Personen mit anhaltenden gesundheitlichen Problemen geben häufiger an, sich einsam zu fühlen. Wenn mehrere dieser Risikofaktoren zusammenkommen, steigt die Wahrscheinlichkeit für Einsamkeit signifikant.

Unterschiede zwischen sozialer und emotionaler Einsamkeit

Die Studie erfasst erstmals bevölkerungsrepräsentativ für die 18- bis 53-Jährigen zwei verschiedene Arten von Einsamkeit in Deutschland: soziale und emotionale Einsamkeit. Soziale Einsamkeit betrifft Menschen, die mit ihrem sozialen Umfeld unzufrieden sind. Emotionale Einsamkeit kann auch Personen mit großem sozialem Netzwerk betreffen, wenn ihnen Nähe zu engen Bezugspersonen fehlt. Soziale Einsamkeit kommt mit 39 Prozent häufiger vor als emotionale Einsamkeit mit 29 Prozent. Dabei berichten Frauen häufiger von emotionaler Einsamkeit, während Männer eher sozial einsam sind.

Folgen für Wohlbefinden und gesellschaftlichen Zusammenhalt

Chronische Einsamkeit hat gravierende gesundheitliche Folgen, wie häufigere Schlafprobleme, ein höheres Risiko für koronare Herzerkrankungen und Schlaganfälle sowie eine geschwächte Immunabwehr. Einsame Menschen sind anfälliger für Sucht und zeigen vorzeitige physiologische Alterungsprozesse. Darüber hinaus besteht ein erhöhtes Risiko, dass sich Einsame sozial isolieren und sich möglicherweise politisch oder religiös radikalisieren, schlussfolgern die Autoren.

Wie der Einsamkeit entgegenwirken?

Die Forschenden sehen mehrere Ansatzpunkte, um Einsamkeit zu bekämpfen. Ein wesentlicher Faktor ist die Förderung der gesellschaftlichen Teilhabe.

„Es bedarf eines größeren Bewusstseins für die Verbreitung und den Leidensdruck der Einsamkeit sowie einer gesteigerten Achtsamkeit im Alltag“, betont FReDA- Studienleiter und Mitautor Prof. Dr. Martin Bujard. Niedrigschwellige Hilfsangebote in Ausbildungsstätten, Vereinen, durch Ärzte oder Behörden können laut der BiB-Studie ebenfalls helfen. Ein Beispiel: Hausarztpraxen könnten Besuchsdienste oder Nachbarschaftsprojekte vermitteln, um chronisch Kranke besser sozial einzubinden. Freizeitangebote sind für direkte soziale Begegnungen ebenfalls wichtig.

Ein kontinuierliches Monitoring der Einsamkeit in allen Gesellschafts- und Altersgruppen ist aus wissenschaftlicher Sicht notwendig, um politische Maßnahmen auf einer soliden, evidenzbasierten Grundlage zu entwickeln.

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