Lebenserwartung | 21.05.2024Ungleichheit zwischen wohlhabenden und benachteiligten Regionen nimmt zu
Eine neue Studie des Robert-Koch-Instituts (RKI) in Zusammenarbeit mit dem Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung (BiB) und der Medizinischen Hochschule Hannover zeigt erstmals, welche Todesursachen für die wachsende regionale Lücke in der Lebenserwartung in Deutschland verantwortlich sind. Die Ergebnisse wurden in der Fachzeitschrift „The Lancet Public Health“ und im Bundesgesundheitsblatt veröffentlicht.
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In der Forschung ist bekannt, dass Menschen in sozioökonomisch benachteiligten Wohngegenden generell eine erhöhte Sterblichkeit aufweisen. Dies wurde vielfach nachgewiesen. Welche Ursachen dahinterstecken war bislang unbekannt. Um dies herauszufinden, verwendeten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in ihrer Studie den am RKI entwickelten „German Index of Socioeconomic Deprivation“ – ein Maß für die sozioökonomische Lage der Regionen im gesamten Bundesgebiet. Diesen Index verknüpften sie mit todesursachenspezifischen Sterbefällen, die zwischen den frühen 2000er Jahren und 2021 beobachtet wurden.
Regionale Unterschiede in der Lebenserwartung in den letzten Jahrzehnten größer geworden
Die Untersuchung zeigt für den Zeitraum der letzten 20 Jahre, dass Menschen in sozioökonomisch benachteiligten Wohngegenden im Durchschnitt eine kürzere Lebenserwartung haben als diejenigen in wohlhabenderen Gegenden, was insbesondere durch eine erhöhte Sterblichkeit in den mittleren und hohen Altersgruppen erklärt werden kann. Und nicht nur das: Die Ungleichheiten haben sich in den letzten Jahrzehnten verstärkt, insbesondere auch während der COVID-19-Pandemie.
Der Unterschied in der Lebenserwartung zwischen den Regionen mit stärkster und niedrigster sozialer Deprivation in Deutschland betrug im Jahr 2019 3,1 Jahre bei den Männern und 1,8 Jahre bei den Frauen. Während der Pandemiejahre ist die Lücke in der Lebenserwartung bei beiden Geschlechtern größer geworden: 3,5 Jahre bei den Männern und 2,2 Jahre bei den Frauen für das Jahr 2021.
Hauptursachen: Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Krebs
Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Krebs sind die Hauptgründe für soziale Unterschiede in der Lebenserwartung. Von besonderer Bedeutung ist der Befund, dass der Rückgang der Krebssterblichkeit in den letzten Jahren in benachteiligten Regionen nicht so stark ausgeprägt war wie in wohlhabenderen Gegenden.
„Unsere Analysen zeigen, dass gerade die Krebserkrankungen die regionalen Ungleichheiten in der Lebenserwartung vergrößern. Und hier sind es leider insbesondere die frühen Krebssterbefälle, die Menschen unter 75 Jahren betreffen“, so BiB-Mortalitätsforscher Dr. Markus Sauerberg, Mitautor der Studie.
Potenzial bei gesundheitlicher Chancengleichheit
Die Forschenden betonen, wie wichtig das Ziel gleichwertiger Lebensverhältnisse im gesamten Bundesgebiet ist, um die gesundheitliche Chancengleichheit in Deutschland zu verbessern.
Originalpublikation
Tetzlaff, Fabian; Sauerberg, Markus; Grigoriev, Pavel; Tetzlaff, Juliane; Mühlichen, Michael; Baumert, Jens; Michalski, Niels; Wengler, Annelene; Nowassadeck, Enno; Hoebel, Jens (2024): Age-specific and cause-specific mortality contributions to the socioeconomic gap in life expectancy in Germany, 2003–21: an ecological study. Lancet Public Health 9(5): 295–305.