Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung

BiB.Bevölkerungspyramiden | 14.02.2024Die Vielfalt der Bevölkerung mit Migrationshintergrund neu entdecken

Welche Chancen birgt Zuwanderung – insbesondere mit Blick auf unsere alternde Gesellschaft? Und welche Herausforderungen? Neue Analysen des Mikrozensus zeigen, wie sich die Vielfalt in Deutschland in den letzten 20 Jahren entwickelt hat. Die BiB-Publikation „Bevölkerung mit Migrationshintergrund neu entdecken“ bietet einen detaillierten Einblick in die Sozialstruktur von Menschen mit Migrationshintergrund: Wie hoch ist ihre Bildungsbeteiligung? Wie steht es um Schul- und Berufsabschlüsse? Und wie sind sie in den Arbeitsmarkt integriert?

Übersicht Pyramiden Bevölkerung mit Migrationshintergrund Die insgesamt 18 BiB.Bevölkerungspyramiden bieten einen faktenbasierten Blick auf die Bevölkerung mit und ohne Migrationshintergrund. Sie zeigen, wie sich die Bevölkerung mit Migrationshintergrund im Hinblick auf Merkmale wie etwa Familienstand, Schulbildung oder Erwerbsbeteiligung in den letzten beiden Jahrzehnten verändert hat. Quelle: BiB 2024, Daten: Destatis

Durch die langjährige Zuwanderung ist Deutschland ein vielfältiges Einwanderungsland geworden. Fast jeder dritte Mensch in Deutschland hat einen Migrationshintergrund. Zählten 2005 etwa 15,2 Millionen zu dieser Bevölkerungsgruppe, waren es 2013 bereits 16,5 Millionen und 2022 rund 24 Millionen. Das Wachstum ergibt sich sowohl durch die Zuwanderung als auch durch die Kinder, die in Deutschland mit Migrationshintergrund geboren werden. Da die Zuwanderung von Menschen jüngeren und mittleren Alters geprägt ist, mildert sie den demografischen Wandel und die damit einhergehende Alterung der Bevölkerung leicht ab.

Bevölkerungspyramiden: Entwicklung der Bevölkerung 2005, 2013, 2022 Entwicklung der Bevölkerung 2005 - 2022 Entwicklung der Bevölkerung 2005 – 2022: Durch die internationale Zuwanderung ist die Bevölkerung in Deutschland vielfältiger geworden. 2022 lebten rund 24 Millionen Menschen mit Migrationshintergrund in Deutschland, das entspricht einem Anteil von etwa 29 Prozent an der Gesamtbevölkerung. Quelle: BiB 2024, Daten: Destatis

Relativ junge Altersstruktur

Im Vergleich zur Gesamtbevölkerung sind Menschen mit Migrationshintergrund jünger. Ihr Durchschnittsalter lag 2022 für Männer bei 35 Jahren und für Frauen bei 37 Jahren – und damit etwa 10 Jahre unter dem der Bevölkerung ohne Migrationshintergrund. Insbesondere der Anteil von Kindern hat sich zwischen 2005 und 2022 auf 42 Prozent deutlich erhöht. Somit liegen gerade bei den jungen Menschen bedeutende Bildungspotenziale, die unter anderem zur Begegnung des Fachkräftemangels einen wichtigen Beitrag leisten können.

„Der demografische Wandel und die Alterung der Gesellschaft stellen den Arbeitsmarkt schon jetzt vor große Herausforderungen. Um diesen zu begegnen, gilt es, die vielfältigen Potenziale von Menschen mit Migrationshintergrund bestmöglich zu nutzen.“ (Dr. Nikola Sander, Studienleiterin und Forschungsdirektorin am BiB)

Bildungsbeteiligung gestiegen

Bildung gilt als wesentlicher Schlüssel zur Teilhabe an der Gesellschaft und auf dem Arbeitsmarkt. Zudem kann sie die Gesundheit und die Lebenserwartung positiv beeinflussen. Die Bildungsbeteiligung von Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen mit Migrationshintergrund ist in den letzten Jahren gestiegen. Sie liegt jedoch weiterhin unter der von Gleichaltrigen ohne Migrationshintergrund.

So besuchen Kinder mit Migrationshintergrund unter 3 Jahren seltener eine Kita als Gleichaltrige ohne Migrationshintergrund. Mit zunehmendem Alter besuchen mehr Kinder eine institutionelle Betreuungseinrichtung: Im Alter von fünf Jahren sind es 82 Prozent.

Die Bildungsbeteiligung von Kindern und Jugendlichen mit Migrationshintergrund hat sich positiv entwickelt, wonach deren Anteil sowohl unter den Gymnasiastinnen und Gymnasiasten als auch unter den Studierenden stieg.

Diese Entwicklung zeigt sich insbesondere bei den Mädchen mit Migrationshintergrund: Zwischen 2013 und 2022 stieg der Anteil von Gymnasiastinnen von 30 auf 38 Prozent. Bei gleichaltrigen Mädchen ohne Migrationshintergrund liegt der Vergleichswert für 2022 mit 47 Prozent allerdings noch höher. Ähnliche Unterschiede zeigen sich für Jungen, wenn auch auf niedrigerem Niveau.

Bevölkerungspyramiden: Bevölkerung nach Bildungsbeteiligung -  Bevölkerung mit Migrationshintergrund 2013 und 2022 und  Bevölkerung ohne Migrationshintergrund 2022 Bildungsbeteiligung 2013 - 2022 Bildungsbeteiligung: Die Bildungsbeteiligung von Kindern und Jugendlichen mit Migrationshintergrund hat sich in den letzten 10 Jahren in vielen Bereichen positiv entwickelt. Im Vergleich zu 2013 machen heute mehr Jugendliche mit Migrationshintergrund Abitur, gleichzeitig steigt die Zahl derer ohne Schulabschluss. Quelle: BiB 2024, Daten: Destatis

„Ein unterstützendes und durchlässiges Bildungsangebot von Anfang an ist eine wichtige Voraussetzung, um Bildungspotenziale zu heben und daraus den Bedarf an Arbeitskräften zu decken.“ (Prof. Dr. C. Katharina Spieß, Direktorin des BiB und Mitautorin der Studie)

Bildungschancen: Mehr Abiturienten vs. mehr Jugendliche ohne Schulabschluss

Der Schulabschluss gilt unter anderem als Messwert für die späteren beruflichen Abschlüsse sowie für die künftige Arbeitsmarktteilhabe.

Im Jahr 2022 hatten unter den 25-Jährigen mit Migrationshintergrund 12 Prozent der Männer und 10 Prozent der Frauen keinen Schulabschluss. Bei Gleichaltrigen ohne Migrationshintergrund waren es nur 3 Prozent bei den Männern und 2 Prozent bei den Frauen. Im Jahr 2013 lag diese Quote in beiden Gruppen noch bei jeweils 6 Prozent.

Gleichzeitig zeigt sich ein Trend zu höherwertigen Schulabschlüssen. Die Zahl der Abiturientinnen und Abiturienten mit Migrationshintergrund hat sich deutlich erhöht. Fast die Hälfte aller 25-jährigen Männer und 59 Prozent aller Frauen im gleichen Alter schlossen im Jahr 2022 die Schule mit dem Abitur ab. Im Vergleich zu 2013 ist der Anteil bei den Männern um 6 Prozentpunkte und bei den Frauen sogar um 10 Prozentpunkte gestiegen. Gleichaltrige ohne Migrationshintergrund kommen allerdings noch immer auf einen knapp zehn Prozentpunkte höheren Anteil.

Bevölkerungspyramiden: Bevölkerung nach Schulabschluss - Bevölkerung mit Migrationshintergrund 2013 und 2022 und  Bevölkerung ohne Migrationshintergrund 2022 Schulabschluss 2013 - 2022 Schulabschlüsse: 46 Prozent aller 25-jährigen Männer und 59 Prozent aller Frauen im gleichen Alter mit Migrationshintergrund haben im Jahr 2022 die Schule mit dem Abitur abgeschlossen und damit die Berechtigung für einen Hochschulbesuch erworben. Gleichaltrige ohne Migrationshintergrund kommen allerdings noch immer auf einen knapp zehn Prozentpunkte höheren Anteil. Quelle: BiB 2024, Daten: Destatis

Potenziale bei Erwerbsbeteiligung

Erwerbsarbeit ist eine wichtige Voraussetzung für die soziale und wirtschaftliche Integration. Außerdem spielt sie eine Rolle für die individuelle finanzielle Unabhängigkeit.

In den letzten zehn Jahren hat sich die Erwerbsbeteiligung von Menschen mit Migrationshintergrund um gut drei Prozentpunkte erhöht. Im Jahr 2022 waren in der Altersgruppe der 15- bis unter 65-Jährigen 75 Prozent der Männer und 62 Prozent der Frauen erwerbstätig. Dabei gibt es deutliche Geschlechterunterschiede beim Erwerbsumfang: Im Jahr 2022 waren 88 Prozent der erwerbstätigen Männer, aber lediglich 52 Prozent der erwerbstätigen Frauen mit Migrationshintergrund in Vollzeit tätig.

„Unsere Bevölkerungspyramide zur Erwerbsbeteiligung zeigt eindrücklich das große Potenzial der Bevölkerung mit Migrationshintergrund – und hier insbesondere von Frauen – für eine höhere Erwerbsbeteiligung.“ (Sophie Straub, Wissenschaftlerin am BiB und Mitautorin der Studie)

Bevölkerungspyramiden: Bevölkerung nach Erwerbsbeteiligung - Bevölkerung mit Migrationshintergrund 2013 und 2022 und  Bevölkerung ohne Migrationshintergrund 2022 Erwerbsbeteiligung 2013 - 2022 Erwerbsbeteiligung: 75 Prozent der Männer mit Migrationshintergrund gehen einer Erwerbsarbeit nach, der Großteil in Vollzeit. Von den Frauen mit Migrationshintergrund sind 62 Prozent erwerbstätig, etwa die Hälfte von ihnen arbeitet in Teilzeit. Deutliche Unterschiede zeigen sich bei der Ausübung einer Vollzeitbeschäftigung zwischen den Geschlechtern unabhängig vom Migrationshintergrund. Quelle: BiB 2024, Daten: Destatis

Handlungsempfehlungen

Um die Potenziale der Menschen mit Migrationshintergrund in Zeiten des demografischen Wandels zu nutzen, empfehlen die Studienautorinnen und -autoren, ihre Integration in die Gesellschaft und den Arbeitsmarkt, den Spracherwerb sowie den Zugang zu frühkindlicher, schulischer und beruflicher Bildung aktiv zu fördern und nachhaltig zu gestalten.

Ein Ausbau der frühkindlichen Bildung würde sowohl den Spracherwerb als auch die Integration der Kinder sowie deren Eltern fördern. Gleichzeitig könnte eine stärkere Nutzung von institutionellen Betreuungsangeboten insbesondere Mütter von der Sorgearbeit entlasten und ihren Zugang zum Arbeitsmarkt erleichtern.

Weitere Anstrengungen im Hinblick auf die Sprachförderung Jugendlicher und Erwachsener sowie die Anerkennung ausländischer Abschlüsse können sich ebenfalls positiv auf die Bildungs- und Erwerbsbeteiligung auswirken.

Hintergrund

Die Publikation „Die Bevölkerung mit Migrationshintergrund neu entdecken“ entstand in Kooperation mit dem Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) und dem Bundesministerium des Innern und für Heimat (BMI). Als Datengrundlage der Analysen dient der Mikrozensus, die größte jährliche Haushaltsbefragung der amtlichen Statistik in Deutschland.

Hinweis zur Verwendung von Cookies

Cookies erleichtern die Bereitstellung unserer Dienste. Mit der Nutzung unserer Dienste erklären Sie sich damit einverstanden, dass wir Cookies verwenden. Weitere Informationen zum Datenschutz erhalten Sie über den folgenden Link: Datenschutz

OK