Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung

Ländervergleiche zu Familien und Partnerschaften | 09.08.2023Generations and Gender Survey (GGS) als einzigartige Datenquelle

Die Wiederholungsbefragung FReDA ist Teil des Generations and Gender Surveys (GGS). Somit sind die Daten aus Deutschland international vergleichbar und ermöglichen länderübergreifende Forschung. Anlässlich der ersten FReDA-Nutzerkonferenz im Juli erläutert die Direktorin des „Generations and Gender Programme“ (GGP) Prof. Dr. Anne Gauthier die Bedeutung dieser besonderen internationalen Längsschnittstudie.

Es gibt zahlreiche demografische Studien - was unterscheidet den GGS von diesen Studien?

In der Tat gibt es viele andere demografische Studien und Erhebungen. Es gibt drei große internationale demografische Erhebungen: den Demographic Health Survey (DHS), den Multiple Indicator Cluster Survey (MICS) und den Generations and Gender Survey (GGS). Die ersten beiden richten sich hauptsächlich an Länder mit niedrigem und mittlerem Einkommen, in denen die Fruchtbarkeit traditionell relativ hoch war. Der GGS hingegen ist einzigartig, da er sich auf die Bevölkerungs- und Familiendynamik konzentriert, einschließlich der Determinanten einer niedrigen Fertilität. Es ist auch die einzige internationale Längsschnittstudie (Panel).

Wie wichtig sind länderübergreifende vergleichende Analysen und welche Erkenntnisse können wir daraus gewinnen?

Solche länderübergreifenden vergleichenden Analysen sind sehr wichtig, um zu beurteilen, inwieweit bestimmte demografische Trends, Verhaltensweisen oder Werte in einer Vielzahl von Ländern zu beobachten sind, oder ob sie nur für einige Länder gelten. So wird beispielsweise eine niedrige Fruchtbarkeit derzeit in einer Vielzahl von Ländern mit unterschiedlichen Kulturen, Institutionen und Volkswirtschaften beobachtet. Dies ist tatsächlich schwierig zu erklären. Darüber hinaus ist die länderübergreifende Perspektive auch von entscheidender Bedeutung, um Theorien zu überprüfen, die häufig auf der Grundlage eines einzigen Landes oder einer kleinen Gruppe von Ländern entwickelt wurden. Ist beispielsweise der Zusammenhang zwischen Geschlechtergleichstellung und Fruchtbarkeit in allen Ländern derselbe? Und ist der Zusammenhang zwischen Scheidung und Bildung überall derselbe?

Welche der im GGS enthaltenen Themen sind heutzutage für die demografische Forschung oder die Politikberatung besonders relevant und warum?

Fertilitätspräferenzen und der gesamte Entscheidungsprozess im Bereich der Fertilität sind sowohl für Wissenschaftler als auch für politische Entscheidungsträger sehr wichtige Themen. Welche Rolle spielt zum Beispiel die Unsicherheit bei der Entscheidung für oder gegen Kinder? Wie viele? Und wann? Aber der GGS ist mehr als eine Fertilitätserhebung. Er enthält auch sehr umfangreiche Informationen über die Komplexität der heutigen Familien, ihre Bedürfnisse und Ungleichheiten, über junge Erwachsene, den Austausch zwischen den Generationen, die Geschlechterrollen und die Vereinbarkeit von Beruf und Familie (um nur einige zu nennen). Diese Daten können zu politischen Debatten beitragen, zum Beispiel über die Ungleichheit zwischen den Geschlechtern bei bezahlter und unbezahlter Arbeit oder über die Vereinbarkeit von Beruf und Familie.

Was hat sich durch COVID-19 an der Art und Weise geändert, wie wir solche Erhebungen, insbesondere für den GGS, durchführen?

Schon vor der COVID-19-Pandemie hatte sich die Landschaft der Erhebungsmethodik zu verändern begonnen. Die Rücklaufquoten waren überall rückläufig, und die Kosten für die Durchführung von Erhebungen in Form von persönlichen Gesprächen (mit Interviewern) stiegen sehr schnell. Aus diesen Gründen hatte der GGS bereits damit begonnen, eine Webversion ihres Fragebogens zu entwickeln und zu testen. Die Covid-Pandemie hat diesen Trend zu Web-Umfragen noch beschleunigt. Dies gilt für den GGS und andere Umfragen.

Wie können Datenforschungsinfrastrukturen voneinander profitieren? Wie wichtig ist der Austausch von Wissen, Erfahrungen und innovativen Ideen?

Alle umfragebasierten Forschungsinfrastrukturen befinden sich derzeit in der gleichen Übergangsphase zu gemischten Datenerhebungsmodi (vor allem im Internet) und sind mit den gleichen Herausforderungen konfrontiert, zum Beispiel der Frage, wie sichergestellt werden kann, dass die erhobenen Daten national repräsentativ sind. Der Austausch von Wissen, Erkenntnissen und neuen Instrumenten zwischen den Infrastrukturen findet derzeit statt und ist von entscheidender Bedeutung. So tauscht der GGS beispielsweise regelmäßig Informationen mit ESS, SHARE und GUIDE aus. Der GGS ist auch Teil des umfassenderen Projekts SSHOC (Social sciences and humanities open cloud).

Ausblick: Was sind die nächsten Schritte für die GGS? Wie könnte sich die GGS weiter entwickeln?

Es gibt drei Hauptrichtungen, die wir derzeit verfolgen: Erstens erweitern wir kontinuierlich unsere geografische Abdeckung. Dies ist besonders wichtig, um Regionen abzudecken, die in vergleichenden Studien oft nicht berücksichtigt werden (zum Beispiel der Balkan), und auch Regionen außerhalb Europas. Der GGS hat kürzlich eine Umfrage in Hongkong (China), Taiwan und Uruguay durchgeführt. Dies ist das erste Mal, dass wir vergleichende Daten aus diesen Ländern haben. Zweitens erweitern wir kontinuierlich unsere Offenheit und unsere Dienstleistungen für die Nutzer. So haben wir vor kurzem einen Aufruf zur Einreichung von Modulen gestartet, der es Wissenschaftlern ermöglicht, sich um die Aufnahme neuer Elemente in unsere Erhebung zu bewerben. Und wir entwickeln auch Lehrdatensätze für Studenten und andere Interessengruppen. Schließlich bieten die Technologie und die Verfügbarkeit neuer Formen von Daten große Chancen für Erhebungen, die jedoch oft mit großen rechtlichen Hindernissen verbunden sind. Wir arbeiten daran, Lösungen und Wege zu finden, diese Daten in unsere Infrastruktur zu integrieren.

Zur Person:

Prof. Dr. Anne Gauthier ist Direktorin des „Generations and Gender Programme“ (GGP), leitende Wissenschaftlerin am Netherlands Interdisciplinary Demographic Institute (NIDI) und Professorin für vergleichende Familienforschung an der Universität Groningen. Ihr Forschungsschwerpunkt liegt auf dem Gebiet der länderübergreifenden Familienforschung, hierbei insbesondere auf Fertilitätsentscheidungen, Familienpolitik, Elternschaft und Übergänge ins Erwachsenenalter.

Anmerkung der Redaktion: Dieses Interview ist zuerst auf der Website des Projekts „Family Research and Demographic Analysis (FReDA)“ erschienen.

Weitere Informationen

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