Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung

Vom Pillenknick zum Rentnerboom | 03.07.202350 Jahre Forschung zum demografischen Wandel am BiB

Ende der 1960er Jahre nahm in Deutschland eine Entwicklung ihren Lauf, die unsere Bevölkerungsstruktur bis heute stark prägt: Die Geburtenzahlen gingen massiv zurück – es wurden weniger Kinder geboren, immer mehr Menschen blieben kinderlos. Was waren die Ursachen und mit welchen Folgen? Diese Fragen zu beantworten, gab einst den Anstoß, das Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung (BiB) zu gründen.

Menschenmenge auf öffentlichem Platz Quelle: © Jürgen Fälchle/stock.adobe.com

In diesen Tagen feiert es sein 50. Jubiläum mit einer Themenvielfalt, die weit darüber hinaus reicht. An der Festveranstaltung in Wiesbaden wird auch Bundesinnenministerin Nancy Faeser teilnehmen, denn das Institut ist eine Ressortforschungseinrichtung im Geschäftsbereich des Bundesministeriums des Innern und für Heimat.

„Kinder bekommen die Menschen immer.“ Dieser Satz, der dem früheren Bundeskanzler Konrad Adenauer zugeschrieben wird, galt in der alten Bundesrepublik lange Zeit als gesichert – bis Ende der 1960er Jahre die Geburtenzahl abrupt einbrach. Von 1968 bis 1973 fiel die Zahl der Neugeborenen von 1.215.000 auf nur noch 816.000 und reduzierte sich damit um rund ein Drittel. Das überraschte damals viele. Auch dass diese Entwicklung ganz Europa gleichzeitig erfasst hatte, war nicht leicht zu erklären. Zunächst führte man diesen Rückgang auf die breite Verfügbarkeit der Antibabypille zurück und sprach vom „Pillenknick“. Um die Ursachen wissenschaftlich zu analysieren, empfahl der Wissenschaftsrat dem Bund die Gründung einer Einrichtung, die sich mit Themen der Bevölkerungsforschung befasst. Der Geburtenrückgang vor 50 Jahren markierte somit die Geburtsstunde des Bundesinstituts für Bevölkerungsforschung (BiB).

Forschung um gesellschaftliche Veränderungen zu beschreiben und zu erklären

Seit 50 Jahren erforscht das BiB den demografischen Wandel aus verschiedenen Blickwinkeln. Standen zu Beginn vor allem Analysen zu Geburtenverhalten, Alterung und Sterblichkeit im Vordergrund, haben gesellschaftliche Veränderungen den Forschungsbedarf ständig erweitert. So entstanden neue Forschungsfelder im Bereich der Weltbevölkerung, der beruflichen Mobilität, der Binnenwanderung, der kulturellen Diversität, der Gesundheit und der Bildung. Verschiedene Phasen verstärkter Zuwanderung wie beispielsweise aus Syrien oder der Ukraine intensivierten die internationale Migrationsforschung. Gegenstand aktueller Forschungen am Institut sind zudem die Folgen des Fachkräftemangels in Deutschland: BiB-Forschende analysieren, ob und wie sich das Arbeitskräftepotenzial in Deutschland durch frühe Bildung, frühzeitige Integration oder durch eine verbesserte Vereinbarkeit von Familie und Beruf erhöhen lässt.

Hohe Qualität der Forschung durch wissenschaftliche Vernetzung

Heute arbeiten am BiB in Wiesbaden und in Berlin rund 75 Beschäftigte mit vielfältigen akademischen Hintergründen – aus Soziologie, Ökonomie, Demografie, Geografie, Politikwissenschaft oder Medizin.

„Zur Lösung unserer komplexen Aufgabenstellung ist das Zusammenspiel von Forschenden aus verschiedenen Disziplinen nötig“, erklärt Univ.-Prof. Dr. C. Katharina Spieß, seit 2021 Direktorin des BiB. „Für höchste wissenschaftliche Exzellenz ist uns zudem die Vernetzung mit nationalen wie internationalen Forschenden sehr wichtig.“

Der regelmäßige Austausch mit anderen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern ist für das BiB von hoher Bedeutung, um die eigene Forschungsqualität zu sichern.

Ergebnisse für Politik, Verwaltung und Öffentlichkeit

Die Ergebnisse des BiB dienen nicht allein dem wissenschaftlichen Forschungszweck, sondern werden der Bundesregierung und den Ministerien zur Verfügung gestellt. Darüber hinaus ist es für das BiB von zentraler Bedeutung, die Gesellschaft zu informieren. So war das Institut an der Erstellung des Demografieberichts und der Umsetzung der Demografiestrategie der Bundesregierung beteiligt.

„Evidenzbasierte Politik ist in einer Welt voller Fake News zentral“, meint BiB-Direktorin C. Katharina Spieß. „Hier kommen wir unserer Aufgabe nach, Forschung nach wissenschaftlichen Standards zu betreiben und forschungsbasierte Beratung der Politik oder der öffentlichen Verwaltung zu liefern.“

Dies geschieht auch über das Demografieportal des Bundes und der Länder, das die Bundesregierung im Rahmen ihrer Demografiestrategie initiiert hat und vom BiB redaktionell betreut wird. Publikationen oder digitale Angebote adressieren wissenschaftliche Befunde zudem an interessierte Bürgerinnen und Bürger, darunter aktuelle Themen wie die Auswirkungen der Corona-Pandemie oder des Ukraine-Kriegs.

Rentnerboom und darüber hinaus: „Der demografische Wandel ist gestaltbar“

Laufende gesellschaftliche, soziale und ökonomische Veränderungen werden auch in Zukunft neue Forschungsfragen für die Forschenden des BiB generieren: Wie gestaltet sich der Übergang der Babyboomer in den Ruhestand? Was sind die Voraussetzungen für gesundes und erfolgreiches Altern? Wie kann eine hohe Lebensqualität in schrumpfenden Regionen gesichert werden? Wie geht es Familien in Zeiten des Umbruchs? Wie bilden wir Kinder und Jugendliche aus? Wie integrieren wir nach Deutschland geflüchtete Menschen?

„All dies sind Fragen, mit denen sich das BiB befasst und die vor dem Hintergrund des demografischen Wandels von besonderer Bedeutung sind“, zählt C. Katharina Spieß auf.

Vor allem in Hinblick auf die zunehmende Alterung in Deutschland rät sie zu mehr Kreativität:

„Auch wenn in unserem Land immer mehr ältere Menschen leben, muss die Zukunft nicht alt aussehen. Der demografische Wandel ist gestaltbar - es kommt darauf an, was wir daraus machen.“

Und dazu kann die Forschung am BiB einen wichtigen Beitrag leisten.

Zum Jubiläum: Festakt mit wissenschaftlichem Symposium

Anlässlich seines 50-jährigen Bestehens richtet das Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung (BiB) Anfang Juli einen feierlichen Festakt in Wiesbaden aus – und zwar gemeinsam mit dem Statistischen Bundesamt, das vor 75 Jahren gegründet wurde. Am offiziellen Rahmen nehmen unter anderem Bundesinnenministerin Nancy Faeser, der OECD-Generalsekretär Mathias Cormann, Wiesbadens Oberbürgermeister Gert-Uwe Mende und Herr Prof. Dr. Armin Grunwald (Mitglied des Deutschen Ethikrats) teil. Bei dieser Gelegenheit soll auch das neue Logo des Instituts vorgestellt werden. Eine dreitägige wissenschaftliche Konferenz zu Bevölkerungsthemen mit internationalen Expertinnen und Experten sowie ein Symposium mit dem Statistischen Bundesamt runden das Festprogramm ab.

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