3 Fragen, 3 Antworten | 13.02.2023„Noch viel zu tun auf dem Weg zu gerechter Arbeitsteilung in Familien“
Kita- und Schulschließungen haben Eltern während der Corona-Pandemie vor große Herausforderungen gestellt. Im Interview zu ihrer neuen Analyse erläutert Mitautorin und BiB-Direktorin Prof. Katharina Spieß, wie Eltern Kinderbetreuung, Erziehungsarbeit und Haushalt über den Pandemieverlauf hinweg organisiert haben.
BiB-Direktorin Prof. Dr. C. Katharina Spieß
Quelle: BiB
1. Wer wann und wie lange die Kinder betreut, ist immer wieder Thema in vielen Familien. Durch Kita- und Schulschließungen während der Corona-Pandemie mussten Eltern plötzlich ein Mehr an Kinderbetreuung, Erziehungsarbeit und Haushalt meistern. Wie haben sie sich aufgeteilt?
Darüber wurde zu Beginn der Pandemie viel spekuliert. Manche prognostizierten, dass vor allem die Mütter die zusätzlichen Aufgaben übernehmen und somit die Hauptlast in der Familie tragen würden. Andere waren der Meinung, dass sich Väter stärker beteiligen würden und die Pandemie ein sogenannter „Gleichberechtigungs-Beschleuniger“ für die Familienarbeit wird. Wie es tatsächlich war, das habe ich gemeinsam mit anderen Kollegen und einer Kollegin untersucht – und zwar über den gesamten Pandemieverlauf hinweg.
Die Daten des Beziehungs- und Familienpanels pairfam zeichnen für Familien mit Kindern unter 14 Jahren folgendes Bild: Zu Beginn der Pandemie, also im ersten Lockdown im Frühjahr 2020, kümmerten sich verstärkt die Frauen um das „Mehr“ an Kinderbetreuung und Haushalt. Die Geschlechterungleichheit bei der Familienarbeit ist also für diesen Zeitraum größer geworden. Diese Entwicklung hat sich allerdings nicht verstetigt. Neun Monate später, beim zweiten Lockdown im Winter 2020/21, hat sich die Arbeitsteilung von Müttern und Vätern fast wieder auf das gleiche Niveau eingependelt wie vor der Pandemie.
2. Hat sich die Möglichkeit zum „Home-Office“ positiv auf die Arbeitsteilung in Familien ausgewirkt?
Das ist wirklich spannend. Wir haben vermutet, dass die Möglichkeit, von zu Hause zu arbeiten, bei der Arbeitsteilung der Eltern eine wichtige Rolle spielt und haben auch diesen Zusammenhang untersucht. Arbeiteten beide Elternteile von zu Hause, funktionierte die gleichberechtigte Aufgabenteilung relativ gut. Allerdings trifft dies nur auf knapp 30 Prozent der Familien zu. Die Mehrheit der Familien mussten Familien- und Erwerbsarbeit anders organisieren mit negativen Folgen für die Mütter. Am größten war der Anstieg der Familienaufgaben für Frauen, die von zu Hause gearbeitet haben, ihr Partner aber nicht. Auch in Familien, in denen nur der Vater im „Home-Office“ war oder kein Elternteil von zu Hause gearbeitet hat, waren die Mütter stärker bei der Kinderbetreuung gefordert.
Eine Ausnahme von diesem Trend gibt es auch und zwar für die Aufteilung der Hausarbeit. Arbeitete nur der Vater von zu Hause aus, wirkte sich das positiv auf seine Beteiligung bei der Hausarbeit aus. Diese Väter beteiligen sich heute stärker im Haushalt, da sind wir nicht vollständig auf das Niveau vor der Pandemie zurückgefallen. Ob dies auch langfristig zur neuen sozialen Norm wird, müssen wir weiter beobachten.
3. Wie steht es aktuell um die ungleiche Arbeitsteilung von Sorge- und Hausarbeit zwischen Müttern und Vätern?
Deutschland ist leider im OECD-Ländervergleich ziemlich weit vorne, betrachtet man die ungleiche Arbeitsteilung von unbezahlter Sorgearbeit bei Eltern. Das war auch schon vor der Pandemie so und ist daher kein neues Phänomen. Ein Erklärungsansatz sind bestimmte familienpolitische Leistungen wie zum Beispiel das Ehegattensplitting, das nach wie vor gewisse Geschlechterrollen weiterträgt. Auch verfestigte geschlechtsspezifische Rollenbilder, die Mütter nach wie vor eher in der Kinderbetreuung verorten, können ein Grund hierfür sein.
Die gute Nachricht ist, dass sich die anfängliche „Rolle rückwärts“ bei der Arbeitsteilung nicht über die gesamte Pandemie hinweg gehalten hat. Aktuell stehen wir in Deutschland eher so da wie vor der Pandemie. Fakt ist aber, dass Mütter sehr viel stärker belastet waren als Väter, was sich auch in ihrem schlechteren Wohlbefinden über die Pandemie hinweg gezeigt hat. Und nach wie vor gilt: Mütter leisten immer noch mehr unbezahlte Hausarbeit und Kinderbetreuung. Wir müssen weiter an den Rahmenbedingungen arbeiten, wenn wir dies ändern wollen. Nicht zuletzt auch deshalb, damit Mütter, die Familien- und Erwerbsarbeit vereinbaren wollen, dies auch in vollem Umfang tun können und nicht mehrheitlich auf Teilzeitjobs angewiesen sind. Darüber hinaus werden Frauen auf dem Arbeitsmarkt dringend gebraucht, denn unser Erwerbspersonenpotential wird immer weiter abnehmen. Wir brauchen also eine bedarfsgerechte Kindertagesbetreuung und sollten die Anreize für geringe Erwerbsumfänge von Frauen abschaffen, da denke ich zum Beispiel an die längst überfällige Reform im Ehegattensplitting.
Die Fragen stellte die Internetredaktion des BiB.
Originalpublikation
Jessen, Jonas; Spieß, C. Katharina; Wraights, Sevrin; Wrohlich, Katharina (2022): The gender division of unpaid care work throughout the COVID-19 pandemic in Germany. German-Economic Review 23(4). Berlin: De Gruyter: 641–667.