Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung

Interview zur Alterung • 22.07.2022„Soziale Unterstützung fördert ein zufriedenes Altern“

Die Frage, wie es älteren Menschen mit unterschiedlichen gesundheitlichen, finanziellen und sozialen Ressourcen gelingen kann, zufrieden zu altern, untersucht das Projekt „Resilient Life Courses and Vulnerabilities in Old Age (REVEAL)“ am BiB. Worum geht es bei dem neuen Forschungsprojekt - was sind die Ziele und die Erwartungen? BiB-Forscher Dr. Volker Cihlar im Interview.

Ältere Frau beim Hüpfen Quelle: Uwe_Umstaetter / Getty Images

Als ein Element des demografischen Wandels erreichen immer mehr Menschen ein höheres Lebensalter. Dadurch erhöht sich gleichzeitig die Anzahl derjenigen Älteren, die mit gesundheitlichen Einschränkungen oder gar Pflegebedürftigkeit zu kämpfen haben. Beides kann die Lebenszufriedenheit negativ beeinflussen. Wie gelingt es älteren Menschen trotz dieser Einschränkungen ein aktives und zufriedenes Leben zu führen? Eine entscheidende Rolle spielen hier die Faktoren Vulnerabilität und Resilienz, also das Verhältnis zwischen Verletzlichkeit und Widerstandfähigkeit, erklärt Projektmitarbeiter Dr. Volker Cihlar.

Herr Dr. Cihlar, was ist denn unter einem erfolgreichen und zufriedenen Altern zu verstehen?

Das hat sich im Laufe der vergangenen Jahre tatsächlich geändert. Früher galt: Wer erfolgreich altert, ist körperlich wie geistig weiterhin leistungsfähig und verfügt über ein großes soziales Netzwerk. Studien haben jedoch gezeigt, dass nur wenige Menschen diese drei Kriterien bis ins hohe Alter aufweisen. Demzufolge würden nur sehr wenige Menschen über 80 Jahre erfolgreich altern.

Da Menschen ihr Alter aber sehr subjektiv empfinden, ist es aus heutiger Sicht eher bedeutsam wie die älteren Menschen ihre Gesundheit selbst wahrnehmen, wie zufrieden sie mit ihren Finanzen sind und ob sie in hohem Maße glücklich sind. Nach diesen Kriterien altern dann über 60 Prozent der Menschen über 80 Jahre „erfolgreich“. Dieser subjektive Ansatz ist in meinen Augen vielversprechender. Er richtet den Blick individuell auf den einzelnen Menschen und berücksichtigt, dass jeder eine eigene Definition von glücklichem und zufriedenem Altern hat.

In unserem Projekt „Resilient Life Courses and Vulnerabilities in Old Age“ untersuchen wir die individuellen und sozialen Schutzfaktoren gegenüber widrigen Lebensumständen bei vulnerablen, also verletzlichen, Menschen. Dadurch möchten wir herausfinden, wie es Ältere trotz körperlichen, geistigen, finanziellen und/oder sozialen Nachteilen gelingt, persönliche Zufriedenheit mit dem eigenen Leben zu empfinden.

Welche Faktoren wirken sich positiv auf ein zufriedenes Altern aus?

Das sind jene Faktoren, welche die Widerstandsfähigkeit – in der Fachwelt auch Resilienz genannt – stärken. Erste Befunde unseres Projektes zeigen: Soziale Unterstützung, etwa durch Mitmenschen oder staatliche Leistungen, erhöhen die Lebenszufriedenheit älterer Menschen. Sie ist somit ein wichtiger Faktor, um Resilienz zu fördern. Dies gilt insbesondere bei jenen Menschen, die besonders vulnerabel sind. Also: Je verletzlicher eine Person ist, desto größer ist ihr Bedarf an sozialer Unterstützung, um gegenüber den Lebensrisiken resilient sein zu können.

Welche Rolle spielt in diesem Zusammenhang Einsamkeit im Ruhestand?

Einsamkeit ist in diesem Zusammenhang per se eine soziale Verletzlichkeit, deren Einfluss auf die Lebensqualität gerade beim Übergang in den Ruhestand oftmals noch unterschätzt wird. So können Alleinleben und Partnerlosigkeit, die ungewollt und leidbehaftet sind, psychisch belasten. Unsere Forschungen zu diesem Thema haben interessanterweise ergeben, dass jedoch nicht jede Partnerschaft auch automatisch vor Einsamkeit schützt. Vielmehr spielt die Qualität der Partnerschaft eine entscheidende Rolle. Paare, die im Ruhestand häufig Meinungsverschiedenheiten haben, fühlen sich genauso häufig einsam wie jene ohne Partnerschaft. Lediglich diejenigen, die in einer harmonischen Beziehung leben, profitieren auch im Ruhestand davon und fühlen sich wesentlich seltener einsam.

Wie werden sich die Ergebnisse Ihres Projekts in der Praxis verwerten lassen?

Unser Forschungsprojekt soll letztendlich das Wissen darüber erweitern, welche Ressourcen und Strategien nötig sind, um den Lebensrisiken im höheren Alter zu begegnen und so die Lebensqualität, Kompetenz und gesellschaftliche Teilhabe älterer Menschen zu bewahren oder zu steigern. Dabei spielt der Gedanke der Prävention eine große Rolle, insbesondere was die Förderung der individuellen und sozialen Schutzfaktoren angeht. Hier kann unsere Forschung wertvolle Beiträge für die Praxis liefern.

Wie werden wir den Lebensabschnitt Ruhestand und Alter in Zukunft erleben? Wagen Sie als versierter Gerontologe doch einmal eine Prognose.

Leider kann ich nicht vorhersagen welche neuen Lebensrisiken in Zukunft auf uns zukommen werden. Gerade in den letzten Jahren haben wir gesehen wie eine Pandemie, wie ein Krieg, wie der Klimawandel sich auf unser aller Leben auswirken. Im Grunde gab es sehr gute Voraussetzungen dafür, dass die Älteren der nahen Zukunft, also die Babyboomer-Generation, mit sehr vielen Ressourcen ausgestattet in den Lebensabschnitt Ruhestand und Alter gehen würde. Darauf bezogen würde ich sagen, dass wir sehr individuelle und aktive Ruheständlerinnen und Ruheständler erleben werden. Das junge Alter bis hin zu 80 Jahren erwarte ich als in vielen Fällen höchst kompetent und mit allerlei spannenden Möglichkeiten ausgestattet.

Wir haben ja bereits darüber gesprochen, dass jenseits des achtzigsten Lebensjahrs die Wahrscheinlichkeit von schweren Erkrankungen steigt. Der medizinische Fortschritt wird sicher neue Behandlungsmöglichkeiten hervorbringen. Dennoch ist das hohe Alter jene Lebensphase, in der wir vermehrt mit der eigenen Verletzlichkeit und mit Grenzsituationen wie Leid, Sterben und Tod konfrontiert sind. Umso wichtiger wird es sein, die Mechanismen und Strategien zu kennen, mit denen Menschen im Alter gewissen Lebensrisiken begegnen oder wie sie mit diesen umgehen können, um möglichst lange zufrieden und glücklich zu leben.

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