Beilage zur Zeitschrift „Geographische Rundschau“ • 18.11.2021Langfristige Tendenzen in der regionalen Bevölkerungsentwicklung in Deutschland
Bevölkerungsentwicklung erklärt sich aus dem Zusammenspiel von Geburtenraten, Sterblichkeit und Wanderungsbewegungen. Aus demografischer Perspektive haben sich begünstigende Faktoren für Bevölkerungsentwicklung über die letzten Jahrhunderte nur wenig verändert. Ein Überblick zeigt, dass sich die Bevölkerungsanteile der betrachteten Großregionen sehr unterschiedlich entwickelt haben.
Regionale Bevölkerungsentwicklung – alle Tendenzen
Wie sich die Bevölkerungsanteile in vier Großregionen (Nord, Süd, West, Ost) an der Gesamtbevölkerung in den Grenzen des heutigen Bundesgebiets während der letzten 200 Jahre entwickelt haben, zeigt die folgende Abbildung: Auffällig ist zunächst die relativ konstante Entwicklung der Region „Nord“, bestehend aus den Ländern Schleswig-Holstein, Hamburg, Niedersachen, Bremen. Auch der aktuelle Bevölkerungsanteil der Region „Süd“ mit Baden-Württemberg und Bayern ist mit 29 Prozent nicht weit von dem 1816 verzeichneten Wert von 31 Prozent entfernt. Eine umgekehrte Entwicklung hat die Region „Ost“ (neue Bundesländer mit Berlin) vollzogen. Im 19. Jahrhundert stieg der Bevölkerungsanteil dieser Region stark von 26 auf 34 Prozent an. Bis zum Mauerbau 1961 schrumpfte der Bevölkerungsanteil dieser Region auf 26 Prozent, um nach dem Mauerfall 1989 noch einmal einen starken Rückgang zu verzeichnen. Dagegen ist der Bevölkerungsanteil der Region „West“ (Nordrhein-Westfalen, Saarland, Hessen, Rheinland-Pfalz) über die letzten 200 Jahre von 27 auf 35 Prozent gestiegen, wobei sich die Anstiege besonders auf die Hochzeit der Industrialisierung (1871-1913) sowie die 1950er Jahre konzentrierten.
Abbildung 1: Bevölkerungsanteil deutscher Großregionen mit Bezug auf Deutschland in seinen heutigen Grenzen, 1816 bis 2019
Quelle: BiB
Regionale Bevölkerungstrends haben lange Bestand
Der langfristige Blick zeigt, dass viele regionale Bevölkerungstrends längere Zeit Bestand haben, sich dann aber auch wieder stark ändern können. Dies hängt damit zusammen, dass die Bevölkerungsentwicklung durch viele wirtschaftliche, soziale und ökologische Faktoren beeinflusst wird. Dabei ist die Bedeutung einzelner Faktoren über die Zeit ebenfalls Änderungen unterworfen. Die Entwicklung Süddeutschlands verdeutlicht, wie eine lange Zeit zurückfallende Region wieder an Dynamik gewinnen kann. Auch in Ostdeutschland sind in den letzten Jahren neue Wachstumszentren entstanden. Selbst für peripher gelegene Regionen, die häufig günstigen Wohnraum und eine hohe Umweltqualität aufweisen, könnten sich durch eine flächendeckende Digitalisierung und Fortschritte bei der autonomen Mobilität neue Potenziale ergeben. Dass regionale Bevölkerungsdynamiken sich über die Zeit erheblich ändern können, sollte auch bei der Einschätzung zukünftiger Dynamiken berücksichtigt werden.