Artikel im „European Journal of Population“ | 18.02.2021Wie unterscheidet sich die Fertilität von Männern und Frauen?
Eine neue Studie liefert erstmals Daten zum Fertilitätsgeschehen von Männern in 17 ökonomisch hochentwickelten Ländern. Die Befunde belegen, dass Männer durchschnittlich deutlich später Kinder bekommen als Frauen. Inwieweit sich weibliche und männliche Fertilität bei der Zahl der Kinder und dem Durchschnittsalter bei der Geburt unterscheiden, konnte bisher nur ansatzweise geklärt werden. Zudem gibt es nur wenige Untersuchungen etwa zur Frage, ob Männer Geburten in gleicher Weise in ein höheres Alter verschieben wie Frauen.
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Problematische Datenlage
Erschwert wird die Forschungslage durch das Fehlen entsprechender Daten beziehungsweise eine mangelhafte Datenqualität zur Fertilität von Männern. So existieren zum Beispiel Datenlücken bei den Angaben über das Alter bei der Geburt von Kindern. Einige vorhandene Studien zu diesem Thema auf der Basis von Geburtenregisterdaten konzentrieren sich vornehmlich auf einzelne Länder. Auch wenn die Datenqualität von Geburtsregisterdaten im Vergleich zu Surveydaten höher einzuschätzen ist, sind selbst dort nicht alle Angaben zu den Vätern vollständig.
Neuer Datensatz zur Fertilität von Männern
Um diese Forschungslücken zu schließen, präsentiert eine neue Studie von BiB-Wissenschaftler Sebastian Klüsener in Zusammenarbeit mit Christian Dudel (Max-Planck-Institut für demografische Forschung, Rostock) erstmals einen vergleichenden Datensatz zu den Fertilitätstrends bei Männern für 17 ökonomisch hoch entwickelte Länder. Er beinhaltet Daten aus Nordamerika, Europa, Asien und Ozeanien. „Um zu untersuchen, wie und warum sich männliche und weibliche Fertilität unterscheiden, haben wir die jährlichen altersspezifischen Fertilitätsraten für Männer auf der Basis der Lebendgeburtenzahlen anhand einheitlicher Methoden ermittelt und in der Datenbank „Human Fertility Collection“ publiziert“, so Mitautor Klüsener.
Im Fokus der Analysen stehen die Fertilitätsunterschiede im Hinblick auf die Geburten pro Mann (TFR) sowie das Durchschnittsalter von Vätern bei der Geburt von Kindern und die Entwicklung dieser Kenngrößen über die letzten Jahrzehnte. „Dies ist das erste Paper, das systematisch ländervergleichend anhand dieser Makroindikatoren Fertilitätsunterschiede zwischen Männern und Frauen beschreibt“, betont der Demograf.
Starke Unterschiede bei den Altersdifferenzen von Väter und Müttern
Die Analysen belegen, dass Männer durchschnittlich deutlich später Kinder bekommen als Frauen. Dabei gibt es allerdings zwischen den Ländern teilweise erhebliche Unterschiede. Die Altersdifferenz zwischen Vätern und Müttern beim durchschnittlichen Geburtsalter schwankt in den betrachteten Ländern zwischen weniger als 2 Jahren in Japan und mehr als 3,5 Jahren in Italien oder Ungarn. In wirtschaftlich weniger entwickelten Regionen wie zum Beispiel in Westafrika sind die Unterschiede allerdings noch viel größer.
Erklärungsansätze
Aber was steckt hinter diesem Phänomen? In der Forschung sind insbesondere soziologische und evolutionstheoretische Erklärungsansätze von Bedeutung. Soziologische Ansätze begründen die Unterschiede unter anderem damit, dass Frauen lange Zeit geringere soziale Aufstiegsmöglichkeiten hatten als Männer. Hierdurch spielte bei der Partnerwahl der soziale Status eines Mannes eine wichtige Rolle. Diesbezüglich sind ältere Männer im Vorteil, da ihr sozialer Status häufig abgesicherter ist als bei gleichaltrigen oder gar jüngeren Männern.
Evolutionstheoretische Ansätze betonen zusätzlich, dass Frauen durch die Schwangerschaft und das Stillen mehr direkte biologische Ressourcen in den Nachwuchs investieren als Männer. Hierdurch sind jüngere Frauen eher im Vorteil, weil die biologische Fähigkeit, Kinder zu bekommen, mit dem Alter tendenziell abnimmt.
Weitgehende Annäherung der Altersunterschiede im Zeitverlauf
Verringern sich diese Altersunterschiede im Zeitverlauf? Angesichts einer zunehmenden Gleichstellung der Geschlechter müsste schon davon ausgegangen werden, sagt Klüsener. Des Weiteren verliert das erhöhte Alter als einschränkender Faktor von Schwangerschaften durch die moderne Reproduktionsmedizin an Wirkung. Die Befunde der Studie deuten in eine ähnliche Richtung. So haben sich in vielen Ländern zuletzt die Durchschnittsalter von Vätern und Müttern bei der Geburt von Kindern angenähert. Eine Ausnahme stellen in der Studie lediglich einige osteuropäische Länder sowie Ostdeutschland dar, wo die Altersunterschiede zwischen Vätern und Müttern in den letzten Jahrzehnten angestiegen sind.
Folgen der Altersunterschiede für die Chancengleichheit
Dabei sind die Altersunterschiede zwischen Vätern und Mütter auch im Kontext der Chancengleichheit zwischen den Geschlechtern von Bedeutung. Nach der Geburt von Kindern richten Paare ihre Arbeitsteilung oft neu aus, da Kinder gerade in den ersten Jahren viel Zuwendung und Betreuung benötigen. Dies bedeutet für viele Paare, dass einer oder beide Elternteile beruflich kürzertreten. „Der ältere Elternteil, und damit häufig der Mann, kann meist auf eine schon weiter fortgeschrittene Etablierung im Beruf verweisen. Dies trägt mit dazu bei, dass häufig die Frau im Beruf kürzertritt“, erklärt Sebastian Klüsener. Dieses Phänomen der Re-Traditionalisierung ist etwa in Deutschland und insbesondere in Westdeutschland relativ stark verbreitet. „Solche Prozesse auf der Paarebene können dazu beitragen, dass sich tradierte Rollenmuster von Männern und Frauen nur langsam ändern.“
Dudel, Christian; Klüsener, Sebatian (2021): Male–Female Fertility Differentials Across 17 High-Income Countries: Insights From A New Data Resource. In: European Journal of Population, 1-25.