Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung

Interview zu BiB-Studie „Alterung und Arbeitsmarkt“ | 09.10.2019„Kein zwangsläufiger Rückgang des Arbeitsangebots durch Verrentung der Babyboomer“

Die stark besetzten „Babyboomer“-Jahrgänge, die in den 1950er und 1960er Jahren geboren wurden, verlassen in den nächsten 20 Jahren den Arbeitsmarkt. Hierdurch ist ein Rückgang der Bevölkerung im Erwerbsalter zu erwarten, der in der öffentlichen Diskussion häufig als eine Gefahr für den Wirtschaftsstandort Deutschland angesehen wird. Dies ist allerdings nicht zwangsläufig so, wie aktuelle Projektionen des BiB belegen. Im Interview gibt Dr. Elke Loichinger einen Überblick über die Ergebnisse.

Dr. Elke Loichinger Dr. Elke Loichinger Quelle: BiB

Frau Dr. Loichinger, aktuelle Berechnungen des BiB haben gezeigt, dass die Auswirkungen des Rückgangs der Erwerbsbevölkerung auf das Arbeitsvolumen in den nächsten Jahren keineswegs so dramatische Folgen haben müssen wie befürchtet. Was sind hier aus Ihrer Sicht die entscheidenden Faktoren, die für Entspannung sorgen?

Hier spielen mehrere Faktoren eine Rolle. Zum einen würde ein weiterer Anstieg bei der Frauenerwerbsbeteiligung – bei den Erwerbstätigenquoten, aber vor allem auch bei den Arbeitsstunden – der demografischen Entwicklung entgegenwirken. Die Anstiege in den letzten zwei Jahrzehnten waren beachtlich. Aber nicht nur eine höhere Frauenerwerbsbeteiligung, sondern auch ein Anstieg bei der Erwerbsbeteiligung Älterer spielt eine große Rolle. Unsere Berechnungen zeigen, dass hier sogar das deutlich größere Potenzial besteht, was dem Altersaufbau der Bevölkerung geschuldet ist: Immer mehr Babyboomer erreichen das Rentenalter.

Schließlich spielt auch die Tatsache, dass es immer mehr Personen mit hoher Bildung gibt, eine Rolle: Je höher der Bildungsstand, umso höher ist die Arbeitsmarktbeteiligung, sowohl bei Männern als auch bei Frauen. Auch diese Entwicklung wirkt sich positiv auf das Arbeitsvolumen aus.

Immer wieder wird vor den Folgen älter werdender Belegschaften und damit verbundenen Produktivitätsrückgängen gewarnt. Sind diese Befürchtungen berechtigt?

Wir haben uns nicht konkret mit der Arbeitsproduktivität oder dem Wirtschaftswachstum beschäftigt, sondern die vergangene und zukünftige Entwicklung des Arbeitsangebots in Form des Arbeitsvolumens analysiert. Genauer gesagt haben wir, basierend auf Auswertungen des Mikrozensus, die in Deutschland insgesamt normalerweise geleistete Wochenarbeitszeit betrachtet. Dabei haben wir nicht nur nach dem Alter differenziert und Berechnungen getrennt für Männer und Frauen durchgeführt, sondern wir haben uns Erwerbstätigenquoten und Arbeitszeit auch für drei Bildungsgruppen angesehen. Daher können wir Aussagen zur Zusammensetzung des zukünftigen Arbeitsvolumens im Hinblick auf das Bildungsniveau treffen. Während der Anteil der Arbeitsstunden, der von Personen mit niedriger Bildung geleistet wird, seit 2004 rückläufig ist und wahrscheinlich weiter sinken wird, stieg der Anteil von Personen mit hoher Bildung kontinuierlich an und könnte in Zukunft über ein Drittel aller geleisteten Wochenarbeitsstunden ausmachen. Diese Entwicklung kann befürchteten Produktivitätsrückgängen entgegenwirken.

Ihre Szenarien der Modellrechnung betrachten den Zeitraum bis zum Jahr 2030. Lassen sich darüber hinaus bereits Trends erkennen, was die demografische Entwicklung in Bezug auf das Arbeitsvolumen angeht?

Wir haben uns absichtlich auf den Zeitraum bis 2030 fokussiert, da rund um dieses Jahr die geburtenstärksten Jahrgänge der Babyboomer das offizielle Rentenalter erreichen werden. Dennoch haben wir zusätzliche Auswertungen bis 2045 durchgeführt, bei denen wir die Annahmen in Bezug auf Erwerbstätigkeit und Wochenarbeitszeit auf dem Niveau von 2030 konstant halten. Dabei zeigt sich, dass der Effekt unterschiedlicher Migrationsannahmen auf das Arbeitsvolumen über die Zeit zunimmt.

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