Artikel in „Frontiers in Psychology“ • 01.07.2019Erleichtert Einbürgerung den Integrationsprozess?
Ein neuer Beitrag untersucht den Zusammenhang zwischen Einbürgerungsbereitschaft und der Stärke der kulturellen Identität bei Migranten in Deutschland. Anhand zweier Teilanalysen wird außerdem der Frage nachgegangen, ob die Bereitschaft zur Einbürgerung durch den Grad der kulturellen Anpassung prognostiziert werden kann oder ob die Bereitschaft zur Anpassung nicht vielmehr als eine Auswirkung der Einbürgerung gesehen werden sollte. Für die Untersuchungen wird Identität mit Deutschland beziehungsweise dem Herkunftsland als Indikator für das Ausmaß des kulturellen Anpassungsprozesses (Akkulturation) verwendet.
Positive Verknüpfung zwischen Identität und Einbürgerungsstatus
Die Befunde der ersten Teilanalyse zeigen, dass unter den Befragten eine Identifizierung mit Deutschland als ihrem Lebensmittelpunkt positiv verknüpft mit dem Einbürgerungsstatus ist. Insgesamt zeigen die Indikatoren für die identifikative Ebene der Integration, dass sich Nicht-Eingebürgerte weniger mit Deutschland als ihrem Lebensmittelpunkt identifizieren als bereits Eingebürgerte und Personen im laufenden Einbürgerungsverfahren. Letztere identifizieren sich sogar am deutlichsten mit Deutschland.
Effekte in der Langzeitperspektive
Die zweite Teilanalyse untersucht den Zusammenhang im Hinblick auf Langzeiteffekte bei bereits eingebürgerten Migranten. Die Betrachtung im Zeitverlauf bestätigt dabei die Annahme, dass im ersten Jahr nach der Einbürgerung eine höhere Identifikation mit dem Aufenthaltsland festzustellen ist. Zudem sind eingebürgerte Zuwanderer durch ein hohes Maß an kultureller Anpassung beziehungsweise Integration charakterisiert, während Nichteingebürgerte sich stärker durch Abgrenzung von der Kultur ihres Aufenthaltslandes (hier: Deutschland) auszeichnen.
Hohe Identifikation mit Deutschland normalisiert sich nach der Einbürgerung
Mit Blick auf die Diskussion zur Einbürgerung in Deutschland ist besonders relevant, dass ebenfalls Zuwanderer, die sich sowohl mit Deutschland als auch mit ihrem Herkunftsland identifizieren, Interesse an einer Einbürgerung haben. Im Zeitverlauf wurde allerdings zusätzlich beobachtet, dass sich bei Zuwanderern mit einem hohen Grad an Integration die Identifikation mit Deutschland ein Jahr nach ihrer erfolgten Einbürgerung wieder abschwächt. Ursache dafür ist, so die Studie, dass die vor der Einbürgerung gefühlte starke Identifikation und der mit dem Erhalt der deutschen Staatsbürgerschaft verbundene Enthusiasmus danach wieder nachlassen und sich auf einem normalen Niveau stabilisieren.
Insgesamt wird konstatiert, dass Zuwanderer mit einer hohen Identifikation mit dem Aufenthaltsland sich mit höherer Wahrscheinlichkeit einbürgern lassen als Migranten, die vorwiegend ihrem Herkunftsland eng verbunden sind.
Débora B. Maehler, Martin Weinmann und Katja Hanke (2019):
Acculturation and Naturalization: Insights From Representative and Longitudinal Migration Studies in Germany. In: Frontiers in Psychology (doi.org/10.3389/fpsyg.2019.01160)
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