Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung

21.06.2017Die Potenziale der demografischen Dividende für Afrika nutzen

Bei einer vom BiB mitorganisierten Podiumsdiskussion mit offiziellen Vertretern der EU sowie der Afrikanischen Union im Rahmen der EU Development Days am 7. Juni 2017 in Brüssel drehte sich die Debatte um die Frage, wie die demografische Dividende für die weitere Entwicklung Afrikas genutzt werden kann.

Das Bild zeigt die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Podiumsdiskussion bei den EU Development Days. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Podiumsdiskussion bei den Development Days der EU Wie lässt sich die demografische Dividende für die Entwicklung Afrikas nutzen? Darüber diskutierten Vertreter der EU sowie der Afrikanischen Union. Quelle: Europäische Union

Der Begriff „Demografische Dividende“ bezeichnet den möglichen wirtschaftlichen Nutzen, der sich durch die Veränderung der Altersstruktur eines Staates erzielen lässt, wenn die Geburtenrate sinkt. Für Afrika bedeutet dies, dass vor allem in Bildung und Gesundheit von Kindern und Jugendlichen investiert werden sollte. Dazu müssten Maßnahmen ergriffen werden, um den vielen jungen Erwerbsfähigen produktive Beschäftigung und somit Entwicklungschancen zu ermöglichen.

Das „window of opportunity“ ist nur kurz geöffnet

Tilman Nagel von der Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) zeigte sich davon überzeugt, dass Afrika das Potenzial dazu habe, die demografische Dividende für seine Weiterentwicklung zu nutzen. Viele junge Menschen in den afrikanischen Ländern, die hungrig nach neuen Ideen und bereit für einen Wandel seien, bildeten hierfür das Fundament, so Nagel. Begünstigend auf die Dividende wirke sich vor allem die langfristig rückläufige Fertilitäts- aber auch die Mortalitätsrate aus. Das „window of opportunity“ sei allerdings nur 30 bis 40 Jahre geöffnet, ehe sich demografische Veränderungen einer alternden Bevölkerung wieder negativ bemerkbar machen könnten, warnte er. Entscheidend sei dabei die „dependency ratio“ (Abhängigenquotient), also das Verhältnis der Zahl an Menschen im nichterwerbsfähigen Alter wie Ältere oder Kinder zu den Personen im erwerbsfähigen Alter. Sie ist gegenwärtig zum Beispiel in Zentralafrika relativ hoch. Es werde hier aber von einem Rückgang in den kommenden Jahren ausgegangen, so dass sich ein Fenster für Entwicklung öffnen werde.

Welche Investitionen befördern die Wirksamkeit der demografischen Dividende?

Im Zentrum der Diskussion stand die Frage, welche Investitionen sinnvoll sind, um die Vorteile der sich ändernden Altersstruktur in Afrika zu nutzen. Für Carla Montesi als Vertreterin der Europäischen Kommission genoss das Thema Bildung höchste Priorität. Eine gute Bildung gibt den jungen Menschen die notwendigen Fähigkeiten innovativ tätig zu werden. Dies führe am Ende dann zu Jobs, betonte sie.

Margaret Agama-Anyetei (Division Health, Nutrition and Population African Union Commission) wies darauf hin, dass die Nutzung der demografischen Dividende beeinträchtigt werde durch die Vielgestaltigkeit der demografischen Entwicklung in den afrikanischen Ländern. Neben einem breiten Spektrum von Ländern mit hoher Fertilität wie zum Beispiel in Zentralafrika gebe es auch eine Anzahl mit einer niedrigen Fertilität und Mortalität. Aufgrund dieser Vielfalt müssten in einem ganzheitlichen Ansatz die vier Räder Beschäftigung, Bildung, Gesundheit und Wohlbefinden sowie gutes Regieren zusammenfallen und nicht einzeln verfolgt werden, forderte sie. Die Fokussierung auf eine einzelne Säule ohne die Berücksichtigung der anderen Felder werde vor allem der Jugend Afrikas nicht helfen, meinte sie.

Ziel muss ein anhaltender Bevölkerungsrückgang in Afrika sein

Der Direktor des African Institute for Development Policy in Nairobi, Eliya Msiyaphazi Zulu, plädierte für Investitionen mit dem Ziel eines anhaltenden Bevölkerungsrückgangs. Die Altersstruktur der Bevölkerungen in Afrika müsse verändert werden. Erreicht werden solle dies durch Investitionen in die Jugend und die Bildung. Zudem sei der Ausbau von Familienplanung erforderlich. Darüber hinaus gelte es, das Überleben von Neugeborenen bei der Geburt zu verbessern.

Für die Präsidentin der Organisation „Eastern and Southern African Region of African Youth and Adolescents Network (AfriYAN)“, Tikhala Itaye, steht vor allem der Blick auf den Lebenslauf der jungen Menschen im Fokus. So müssten alle Investitionen Hand in Hand gehen, um den Lebensweg von Kindheit, Jugend und Erwachsenem zu begleiten. In diesem Prozess spielt aus ihrer Sicht vor allem die Regierung beziehungsweise die politische Führung eine wichtige Rolle.

Problem: Wer investiert, will auch schnelle Erträge

Bei der konkreten Umsetzung von ganzheitlichen Ansätzen in den jeweiligen Ländern darf aber die Machbarkeit nicht außer Acht gelassen werden. Tilman Nagel (GIZ) appellierte daher angesichts begrenzter Budgets für eine genaue Analyse der Situation. Er zeigte sich skeptisch, ob die vielfach in der Debatte geforderten Investitionen in die Bildung junger Menschen die zentrale Lösung für alle Länder darstellt. Zudem wollten Investoren schnelle Erfolge sehen, die im Verlauf langwieriger demografischer Prozesse meist erst nach Jahrzehnten sichtbar würden.

Chancen der Dividende nutzen oder Chaos als Alternative?

Wie ernst die Lage in der Diskussionsrunde betrachtet wurde, machte Zulu deutlich. Seiner Ansicht nach müssen Wege gefunden werden, um die afrikanischen Regierungen bei der Förderung junger Menschen zu unterstützen. Schließlich seien schwache Regierungen auch eine Ursache der Unterentwicklung in Afrika. „Gutes Regieren“ sei notwendig und zwar nicht nur mit Geld, sondern durch die Schaffung von Strukturen, in denen sich die Länder entwickeln können. Letztlich sei für ihn klar: Wenn die Chancen, die die demografische Dividende bietet, nicht genutzt würden, drohe am Ende in den Ländern Afrikas das Chaos. „Wir haben keine Wahl. Wir müssen schon heute in die Kinder und jungen Menschen in Afrika investieren“, so Zulu.

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