Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung

Pressemitteilung • 20.06.2024Anteil weiblicher Schutzsuchender in Deutschland steigt – Berücksichtigung ihrer spezifischen Bedürfnisse ist entscheidend

Der Anteil von Frauen unter den nach Deutschland Geflüchteten hat in den letzten Jahren deutlich zugenommen. Waren 2016 etwa 36 Prozent der Schutzsuchenden in Deutschland weiblich, so stieg nach Angaben des Ausländerzentralregisters ihr Anteil bis Jahresende 2023 auf rund 45 Prozent an.

Das Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen (UNHCR) geht davon aus, dass rund die Hälfte aller Schutzsuchenden weltweit weiblich ist. Anlässlich dieser Entwicklung wirft das Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung (BiB) zum Weltflüchtlingstag am 20. Juni einen Blick auf die Familien- und Beziehungskonstellationen von schutzsuchenden Frauen zum einen aus der Ukraine und zum anderen aus Syrien und aus Eritrea bei ihrer Ankunft in Deutschland - und zeigt, wie sehr sich die Situation der Frauen aus den verschiedenen Herkunftsländern unterscheidet. Zu diesen Flüchtlingsgruppen erhebt das BiB repräsentative Daten.

Höchster Frauenanteil bei Geflüchteten aus der Ukraine

Mit rund 977.000 Menschen stellen ukrainische Staatsangehörige Ende 2023 die zahlenmäßig größte Herkunftsgruppe unter den Schutzsuchenden in Deutschland. Gleichzeitig weisen sie den höchsten Frauenanteil auf: 61 Prozent der vor dem russischen Angriffskrieg in Deutschland Schutzsuchenden sind Frauen oder Mädchen. „Im Gegensatz zu anderen Herkunftsländern ist die Einreise aus der Ukraine in die EU ohne Visum möglich. Die Entfernung nach Deutschland ist vergleichsweise gering und der Weg für Frauen mit Kindern einfacher und sicherer, während Männer im wehrfähigen Alter mehrheitlich an der Verteidigung ihres Landes beteiligt sind“, erklärt die Migrationsforscherin Dr. Lenore Sauer vom BiB. Die Flucht der Frauen aus der Ukraine erfolgte meistens nicht alleine – 69 Prozent der vom BiB im Jahr 2022 befragten Ukrainerinnen, die nicht alleine ankamen, sind mit einem oder mehreren Kindern, 29 Prozent mit mindestens einem Elternteil und 20 Prozent mit dem Partner nach Deutschland gekommen. „Kinder und Jugendliche, die zumeist mit ihren Müttern nach Deutschland geflüchtet sind, brauchen Kita- und Schulplätze, damit sie auch mit Gleichaltrigen zusammenkommen und damit ihre Mütter Integrationskurse besuchen können und in den Arbeitsmarkt einsteigen können“, sagt Direktorin Prof. Dr. C. Katharina Spieß.

Syrerinnen sind häufig mit ihrer Familie geflohen, Frauen aus Eritrea häufiger alleine

Die zweitgrößte Gruppe unter den Schutzsuchenden in Deutschland bilden Menschen aus dem Bürgerkriegsland Syrien. Ähnlich wie bei den Ukrainerinnen ist nur ein kleiner Teil der syrischen Frauen alleine in Deutschland angekommen, die meisten der syrischen Frauen, die nicht alleine angekommen sind, kamen laut einer repräsentativen Befragung des BiB aus dem Jahr 2020 mit ihren Kindern (71 Prozent) oder mit dem Partner (40 Prozent) in Deutschland an. Die Flucht von Frauen aus Syrien nach Europa findet somit häufig im Familienverbund statt, auch Eltern oder Geschwister leben oftmals in Deutschland oder in anderen europäischen Ländern. Ganz anders ist die Situation von Frauen aus Eritrea, dem zahlenmäßig wichtigsten afrikanischen Herkunftsland von Schutzsuchenden in Deutschland. „Fast die Hälfte der von uns befragten eritreischen Frauen ist alleine in Deutschland angekommen“, weiß die Migrationsforscherin Dr. Elisabeth Kraus vom BiB zu berichten. „Im Gegensatz zu Frauen aus der Ukraine oder aus Syrien flohen Eritreerinnen auch oft zusammen mit außerfamiliären Personen, zum Beispiel mit Bekannten oder Leuten aus der Nachbarschaft.“ Und auch in Hinblick auf die Dauer der Flucht unterscheiden sich Frauen aus Eritrea von den anderen beiden Gruppen: Bei rund der Hälfte der befragten Frauen aus Eritrea lagen eineinhalb Jahre zwischen dem Verlassen Eritreas und der Ankunft in Deutschland, wohingegen die Hälfte der befragten Syrerinnen nur rund drei Monate unterwegs war und Ukrainerinnen nur wenige Tage.

Unterschiedliche Lebenssituationen führen zu besonderen Bedarfen

Die Befunde des BiB verdeutlichen, wie unterschiedlich die Situation weiblicher Schutzsuchender in Deutschland ist. Sie bilden keine homogene Gruppe, sondern zeigen eine Vielfalt an unterschiedlichen Lebenssituationen und familiären Kontexten. Unterschiede bestehen dabei nicht nur bei den Herkunftsländern, selbst Menschen aus demselben Herkunftsland weisen unterschiedliche familiäre Hintergründe auf. „Das bedeutet auch, dass geflüchtete Frauen - und insbesondere Mütter – vor unterschiedlichen Herausforderungen stehen und entsprechend sehr verschiedene Bedürfnisse und Unterstützungsbedarfe haben, gerade zu Beginn ihres Lebens in Deutschland“, fasst Dr. Elisabeth Kraus die Ergebnisse zusammen.

Die Pressemitteilung basiert auf folgenden Datenquellen:

Schutzsuchende aus der Ukraine
Die Befragung ukrainischer Staatsbürgerinnen und Staatsbürger ist eine Längsschnitterhebung, die das BiB zusammen mit dem Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB), dem Sozio-oekonomischen Panel (SOEP) sowie dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) im Jahr 2022 als Studie mit zunächst zwei Erhebungswellen gestartet hat. Ab der dritten Welle wird die Studie als „BiB/FReDA-Befragung: Geflüchtete aus der Ukraine“ weitergeführt. Die hier herangezogenen Daten beziehen sich auf die erste Erhebungswelle, die zwischen August und Oktober 2022 stattfand mit einem Rücklauf von 10.395 panelbereiten Teilnehmenden.

Publikation: Ette, Andreas; Spieß, Katharina C.; Bujard, Martin; Décieux, Jean; Gambaro, Ludovica; Gutu; Lidia; Milewski, Nadja; Ruckdeschel, Kerstin; Sauer, Lenore; Schmitz, Sophia (2023): Lebenssituation ukrainischer Geflüchteter. Höhere gesellschaftliche Teilhabe nach eineinhalb Jahren in Deutschland. In: Bevölkerungsforschung Aktuell 6/2023: 3–16.

Schutzsuchende aus Syrien und Eritrea
Die Befragung „Forced Migration and Transnational Family Arrangements – Eritrean and Syrian Refugees in Germany” (TransFAR) wurde vom BiB in Zusammenarbeit mit dem Forschungszentrum des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (BAMF-FZ) konzipiert und durchgeführt. Basierend auf einer repräsentativen Stichprobe des Ausländerzentralregisters (AZR) wurden im Jahr 2020 deutschlandweit insgesamt 1.458 Interviews durchgeführt, zur Hälfte mit Personen mit eritreischer
und zur Hälfte mit syrischer Staatsangehörigkeit sowie zur Hälfte mit Frauen und zur Hälfte mit Männern, die zwischen 2013 und 2019 nach Deutschland eingereist sind.

Publikation: Kraus, Elisabeth K.; Kassam, Kamal; Sauer, Lenore (2021): Die Bedeutung der Familie für die Fluchtmigration aus Eritrea und Syrien nach Deutschland. In: Bevölkerungsforschung Aktuell 3/2021: 13–14.

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